Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs – Mitbestimmung des Betriebsrats über über die tariflich festgelegten Gagenbestandteile hinausgehenden Gagenentlohnung nach NV Bühne

(LAG Niedersachsen 9 TaBV 76/12) – nicht erzwingbarer Vorratsbeschluss

Das von uns vertretene Mitglied und der Betriebsrat streiten im Wesentlichen um die Frage, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei Gagen oberhalb der Mindestgage des NV Bühne zusteht, jedenfalls soweit es sich nicht um Tendenzträger handelt. 

 

Die Bühne schließt mit den Künstlern in der Regel Arbeitsverträge, in denen eine Gesamtvergütung vereinbart wird, die sich aus der tariflichen Mindestvergütung und einem weiteren Betrag zusammensetzt. 

Der Spruch der Einigungsstelle beinhaltete Regelungen zu der über die tariflich festgelegten Gagenbestandteile hinausgehende Gagenentlohnung von Mitarbeitern, auf deren Arbeitsverhältnis der NV Bühne Anwendung findet. Tendenzträger i.S. des § 118 BetrVG wurden vom Geltungsbereich des Spruchs ausgenommen.

Das LAG Niedersachsen hat zu Recht entschieden, dass die Einigungsstelle nicht die erforderliche Regelungskompetenz für einen Spruch über die übertariflichen Gagenzahlungen hatte.

Hinweis:

Nach § 76 Abs. 5 S. 1 BetrVG ersetzt der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Die Einigungsstelle wird in den Fällen sogenannter erzwingbarer Mitbestimmung tätig und kann die Einigung durch einen Spruch ersetzen. In den Fällen des freiwilligen Mitbestimmungsrechts kann eine Einigung nicht durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt werden.

Regelungen über außertarifliche Zulagen oder erhöhte Gagenbestandteile können grundsätzlich der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Die Beteiligung des Betriebsrates dient der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie der Angemessenheit und Durchsichtigkeit des Lohngefüges. Dabei ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob er außertarifliche Leistungen überhaupt gewährt. Entschließt er sich aber dazu, so unterliegt seine Entscheidung darüber, nach welchen Kriterien sich die Berechnung der einzelnen Leistungen  und ihre Höhe im Verhältnis untereinander bestimmen sollen, der Mitbestimmung des Betriebsrates. Allerdings erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nur auf kollektive Regelungen. Die individuelle Lohngestaltung, die mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des einzelnen Arbeitsverhältnisses getroffen wird und bei der kein innerer Zusammenhang zur Entlohnung anderer Arbeitnehmer besteht, unterliegt nicht der Mitbestimmung. 

Ein kollektiver Bezug ist gegeben, wenn der Arbeitgeber für die Leistung an eine Mehrzahl von Arbeitnehmern ein bestimmtes Budget vorsieht. Er kann fehlen, wenn ein einzelner Arbeitnehmer – bei der Einstellung oder auch während des Arbeitsverhältnisses – initiativ wird oder etwa mit dem Hinweis, andernfalls werde er das Arbeitsverhältnis nicht eingehen oder beenden, gerade allein für sich eine individuelle Leistung aushandelt. 

Solche kollektiven Erwägungen liegen bei übertariflichen Gagenzahlungen bei unserem Mitglied nicht vor, da die Zahlungen durch den Intendanten nach künstlerischen Gesichtspunkten festgelegt werden, die zum einen dazu dienen können, den betroffenen  Mitarbeiter an das Theater zu binden oder ihn zu werben oder auf die künstlerische Qualität abstellen, die nicht messbar ist, sondern nach der Einschätzung des Intendanten festgelegt wird. Auch der angeführte künstlerische Marktwert hat keinen kollektiven Bezug zu anderen Mitarbeitern, sondern wird durch den Intendanten eingeschätzt.  

Vorliegend war ergänzend zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat eine Verteilung von finanziellen Mitteln vereinbaren wollte, die zur Zeit des Spruchs der Einigungsstelle nicht zur Verteilung zur Verfügung standen. Aufgabe der Einigungsstelle ist es grundsätzlich, einen Sachverhalt abschließend zu regeln und nicht vorsorglich und abstrakt Regelungen zu treffen. Zur Zeit des Spruchs der Einigungsstelle war die Pflicht zur Zahlung übertariflicher Gagen durch Individualarbeitsvertrag bereits begründet. Weitere Mittel standen nicht zur Verfügung.   

 

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