Betriebsausschuss – unzureichende Unterrichtung – vorübergehende Überlassung – Übertragung (LArbG Berlin-Brandenburg v. 21.08.2014, 10 TaBV 671/14)
Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz über die Einstellung von zwei Leiharbeitnehmern in Form der Weiterbeschäftigung vom 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014 sowie deren sachliche Dringlichkeit.
Mit Beschluss vom 30.11.2012 hat der Betriebsrat eine Geschäftsordnung beschlossen. Dabei wurden dem Betriebsausschuss die Aufgaben aus §§ 40, 92,93,95.99,100,102,87 Abs. 1 Ziffer 2 und 3 BetrVG (ausgenommen Betriebsvereinbarungen) übertragen.
Der Betriebsausschuss des Betriebsrats verweigerte die Zustimmung unter anderem unter Hinweis auf die unzureichende Unterrichtung über die Auswirkung der personellen Maßnahmen auf die Stammbelegschaft, insbesondere wie lange und in welchem Umfang der zusätzliche Beschäftigungsbedarf bestehe und weshalb dieser Bedarf weder jetzt noch in Zukunft mit eigenen Mitarbeitern besetzt werden könne. Er verlangte weitere Informationen, verweigerte aber vorsorglich schon die Zustimmung zur Weiterbeschäftigung, da es sich um einen dauerhaften Beschäftigungsbedarf handele und der Arbeitgeber nicht die Verpflichtung nach § 81 SGB IX zur Prüfung, ob geeignete schwerbehinderte Menschen zur Verfügung stünden eingehalten habe.
Der Arbeitgeber meint dass die Zustimmungsverweigerung bereits unwirksam sei, da die Übertragung der Rechte nach §§ 99 ff BetrVG auf den Betriebsausschuss zu weitgehend seiner Rechte und Pflichte entledigt habe, weil nahezu der gesamte Aufgabenbereich auf den Betriebsausschuss verlagert worden sei. Die Stelle sei in die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit ohne Ergebnis eingestellt worden und es haben sich kein geeigneter Schwerbehinderter gemeldet. Damit habe der Arbeitgeber seine Pflichten aus § 81 SGB IX erfüllt.
Das Landesarbeitsgericht bestätigte das Arbeitgericht mit der Entscheidung, dass die vom Betriebsausschuss im Namen des Betriebsrats verweigerte Zustimmung zur Einstellung von zwei Leiharbeitnehmern nicht zu ersetzen war.
Der Betriebsrat hat zu Recht die Beteiligung in personellen Angelegenheiten auf den Betriebsausschuss übertragen. Der Betriebsausschuss kann gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG grundsätzlich mit jeder Aufgabe ausschließlich mit dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen betraut werden. Richtig ist, dass der Betriebsrat eine immanente Schranke zu beachten hat. Er darf sich nicht aller Befugnisse entäußern und muss in einem Kernbereich der gesetzlichen Befugnisse als Gesamtorgan zuständig bleiben.
Hier hat der Betriebsrat den Bereich der Mitwirkungsrechte im personellen Bereich auf den Betriebsausschuss übertragen. Dazu kommen lediglich noch die Bereiche Arbeitszeit und Sachmittel. Bereits der gesamte Bereich der wirtschaftlichen Mitbestimmung und nahezu der gesamte Bereich der Mitbestimmung ihn sozialen Angelegenheiten verbleibt beim Betriebsrat. Auch der Bereich der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung sowie der gesamte Bereich der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten verbleibt beim Betriebsrat.
Die fehlende Zustimmung war deshalb nicht zu ersetzen, weil die Frist zur Beteiligung des Betriebsrats hatte vorliegend noch nicht zu laufen begonnen. Die Arbeitgeberin hat vorliegend versäumt, dem Betriebsrat trotz der ausdrücklichen Nachfrage eine konkrete Begründung mitzuteilen, aus der sich der konkrete Bedarf für zwei vorübergehende Beschäftigungen im Umfang von jeweils 12 Monaten ergab.
Ungeachtet dessen hat der Betriebsrat die Zustimmung unter Hinweis auf § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX und auf § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG zu Recht verweigert. Zweck der Prüfungspflicht des § 81 Abs. 1 SGB IX ist es, die Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderte Menschen zu fördern. Der Arbeitgeber müsse Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen, damit diese einen geeigneten schwerbehinderten Bewerber vorschlagen können. Falls der Arbeitgeber das nicht ausreichend geprüft habe, verstoße die Einstellung eines nicht schwerbehinderten Menschen gegen eine gesetzliche Vorschrift und gebe damit einen Grund, die Zustimmung zu verweigern. Der Arbeitgeber müsse auch prüfen, ob ein bei ihm bereits beschäftigter Mensch auf Die Stelle gesetzt werden könne. Die Verpflichtung gelte auch, wenn die Arbeit von Leiharbeitnehmern besetzt werde. Die Einstellung in der Online-Jobbörse ohne Vermittlungsauftrag genügt dem nicht.
Außerdem sah das LAG auch einen Zustimmungsverweigerungsgrund darin, dass es sich um Dauerarbeitsplätze gehandelt habe, die mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollten.
Kein Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Einrichtung eines Arbeitsausschusses ( BAG 15.04.2014, 1 ABR 82/12)
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, einen Arbeitsschutzausschuss einzurichten.
§ 11 ASiG verpflichtet den Arbeitgeber zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses. Diese Bestimmung begründet jedoch keinen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Einrichtung eines solchen Ausschusses.
Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber, soweit in einer sonstigen Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden. In diesen hat der Betriebsrat zwei Mitglieder zu entsenden. Der Arbeitsschutzausschuss hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten. Er tritt mindestens einmal vierteljährlich zusammen. Normadressat des § 11 ASiG ist der Arbeitgeber. Kommt dieser seiner Verpflichtung aus § 11 ASiG nicht nach, hat nach der Gesetzessystematik des Arbeitssicherheitsgesetzes die Arbeitsschutzbehörde nach § 12 ASiG die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Der Betriebsrat kann nach § 89 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die zuständige Arbeitsschutzbehörde ersuchen, gegenüber dem Arbeitgeber die Verpflichtungen aus § 11 ASiG im Wege einer Anordnung nach § 12 Abs.1 ASiG durchzusetzen und diese nach § 20 ASiG im Weigerungsfalle durch Verhängung einer Geldbuße durchzusetzen. Einen unmittelbar gegen den Arbeitgeber gerichteten Anspruch des Betriebsrats auf Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses enthält das Arbeitssicherheitsgesetz dagegen nicht.
Ein solcher ergibt sich auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Dem steht bereits der Eingangshalbsatz des § 87 Abs. 1 BetrVG entgegen. § 11 ASiG regelt die gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses abschließend.
(BAG 19.06.2012, 1 AZR 775/10)
Die Parteien streiten über Schadenersatzansprüche aus Anlass eines Warnstreiks.
Die Klägerin ist mit Wirkung zum 30.03.2009 innerhalb des Arbeitgeberverbandes von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft gewechselt.
Auskunftsanspruch des Betriebsrats – erteilte und beabsichtigte Abmahnungen ( BAG v. 17.09.2013, Aktz.: 1 ABR 26/12 )
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Betriebsrats auf Vorlage erteilter Abmahnungen.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie. Antragsteller ist der im Betrieb N gebildete Betriebsrat. Dieser verlangt von der Arbeitgeberin die Übergabe von Kopien bereits erteilter Abmahnungen sowie die Vorlage beabsichtigter Abmahnungen vor Übergabe an den betreffenden Arbeitnehmer.
Der Betriebsrat hat geltend gemacht, er benötige die Abmahnungen, um vor dem Ausspruch von Kündigungen regulierend und arbeitsplatzerhaltend eingreifen und auf die Arbeitgeberin einwirken zu können. Die Vorlage sei auch erforderlich, um bestehende Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG ausüben zu können.
Der Antrag wurde abgewiesen. Der vom Betriebsrat erhobene Anspruch besteht nicht.
Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und nach Satz 2 Halbs.1 dieser Bestimmung auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zustellen. Hieraus folgt ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats, wenn die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist.
Aus der individualrechtlichen Bedeutung der Abmahnung ergibt sich eine solche Aufgabe des Betriebsrats nicht. Dieser ist außerhalb des Mitwirkungsverfahrens bei Kündigung nach § 102 BetrVG bei der Erteilung von Abmahnungen nicht zu beteiligen. Mitwirkungsrechte des Betriebsrats entstehen erst dann, wenn der Arbeitgeber das Unterrichtungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG einleitet. Der Ausspruch von Abmahnungen unterliegt dagegen nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.
Der Betriebsrat hat nicht aufgezeigt, für welche Aufgaben er die Abmahnungsschreiben benötigt. Der allgemeine Hinweis auf Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG ist unzureichend. Dem steht bereits entgegen, dass Abmahnungen keineswegs notwendig Sachverhalte betreffen, in denen diese Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats betroffen sind. So sind etwa bei Arbeitsvertragsverletzungen wie Tätlichkeiten oder Beleidigungen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 BetrVG offensichtlich nicht berührt.
Der Betriebsrat hat auch nicht dargelegt, dass die Vorlage der Abmahnungen zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. Er hat vielmehr eine Vielzahl von Abmahnungen vorgelegt, aber nicht aufgezeigt, aus welchen Gründen er ungeachtet dessen die Vorlage weiterer Abmahnungen zur Wahrnehmung und Ausübung der auf diese Sachverhalte bezogenen Mitbestimmungsrechte benötigt. Sollte der Betriebsrat der Auffassung sein, dass die den Abmahnungen zugrunde liegenden Anweisungen der Arbeitgeberin nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig waren und diese ihn gleichwohl nicht beteiligt hat, kann er die seiner Auffassung nach gebotenen Maßnahmen ohnehin ergreifen.
Anschlussverbot gemäß § 14 Abs.2 Satz 2 TzBfG - Grenzen verfassungskonformer Auslegung
Entgegen der Ansicht des BAG, Urteil vom 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 und 21.09.2011 – 7 AZR 375/10, hat das LAG Baden-Württemberg nunmehr entschieden, dass Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gelte zeitlich uneingeschränkt.
Der Kläger war in der Zeit vom 17.09.2001 bis zum 30.06.2005 dreimalig befristet und sodann vom 01.09.2011 bis zum 31.08.2013 sachgrundlos befristet beschäftigt worden.
Eine kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Vorliegen eines Sachgrundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Das LAG setzt sich in seinem Urteil intensiv mit der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers aus dem Wortlaut, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte der Norm auseinander. Nach diesen Kriterien sei § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als zeitlich uneingeschränktes, mithin absolutes Anschlussverbot zu interpretieren.
Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 6. April 2011 § 14 Abs. 2 TzBfG im Wege einer sog. verfassungsorientierten Auslegung dahin interpretiert, dass die Vorschrift kein zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot enthalte und im Wege der Rechtsfortbildung die Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren als dem Normzweck angemessenen Abstand zwischen einer Vor- und einer Nachbeschäftigung angesehen. Nach Auffassung des LAG Baden Württemberg ist dieszu korrigieren. Die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Auslegung habe das BAG verkannt.
Das LAG ist weiter der Auffassung, dass sich das Beklagte Land als Arbeitgeber in Bezug auf die im Lichte der Entscheidung des Siebten Senats vom 6. April 2011 am 24.08.2011 mit Wirkung vom 1.9.2011 bis zum 31.08.2013 vereinbarte Befristungsabrede nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Nach der Rechtsprechung des BVerfG bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen, wenn die fachgerichtliche Rechtsprechung, von der abgewichen werden soll, „auf so erhebliche Kritik gestoßen ist, dass der unveränderte Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht gesichert erscheinen könnte“.
Es wurde Revision eingelegt. Wir werden weiter berichten.
Die weitere „Maskenbildner“-Entscheidung des BAG vom 2.8.2017 (7 AZR 602/15) betraf eine gegenüber einer Maskenbildnerin ausgesprochene sogenannte Änderungsnichtverlängerungsmitteilung. Bedeutsam ist, dass dieses BAG-Urteil grundsätzliche Aussagen zur Änderungsnichtverlängerungsmitteilung bei den sogenannten „gekorenen“ Bühnentechnikern im Sinne von § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne enthält und insbesondere die Anforderungen an die Zulässigkeit bzw. an die Wirksamkeit des Änderungsangebots verschärft hat. In diesem Urteil hat nämlich das BAG festgestellt, dass der Künstlervorbehalt in dem Arbeitsvertrag nicht für die Wirksamkeit des befristeten Änderungsangebotes genüge, wenn gleichzeitig die Aufgaben des Maskenbildners in dem Änderungsvertrag beschränkt werden.
In einem solchen Falle käme es für die Frage, ob die Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung im Sinne von § 14 Abs. 1 Ziff. 4 TzBfG gerechtfertigt sei, darauf an, ob der Maskenbildner auch tatsächlich überwiegend künstlerisch arbeitet. Das BAG hat in diesem Rechtsstreit die Sache zunächst an das LAG Köln zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückgewiesen.
Die Entscheidung hat insoweit Tragweite, da eine Änderungsnichtverlängerungsmitteilung mit Entgeltkürzung – wie in dem hier entschiedenen Fall – bekanntlich voraussetzt, dass der Tätigkeitsbereich eingeschränkt wird. Entsprechend wurde nämlich in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall auch vom Theater der Tätigkeitsbereich des Maskenbildners in dem Sinne eingeschränkt, dass diesem bestimmte (höherwertige) Maskenbildneraufgaben entzogen wurden.
Besonderer Hinweis:
Aufgrund der aktuellen Entscheidung des BAG Vom 2.8.2017 (7 AZR 602/15) ist somit bedeutsam, dass das Änderungsangebot befristungsrechtlich wegen der Eigenart der Arbeitsleistung im Sinne des TzBfG gerechtfertigt ist. Die im Änderungsangebot angesonnenen vertraglich geschuldeten Tätigkeiten müssen daher hinsichtlich ihres Inhalts und Umfangs auch tatsächlich künstlerischer Natur sein. Wichtig ist hierbei, dass die angebotenen Tätigkeiten eine Mitwirkung bei der Umsetzung der künstlerischen Konzeption eines Werkes implizieren und ferner der Einfluss auf die Umsetzung der künstlerischen Konzeption nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (maßgeblicher Einfluss).
Benachteiligung wegen des Geschlechts bei einer Bewerbung ( BAG, Urteil vom 18.09.2014, Aktz.: 8 AZR 753/13 )
Die Parteien stritten darüber, ob dadurch, dass bei der Bewerbung der Klägerin im Lebenslauf neben der Textzeile „Verheiratet, ein Kind“ handschriftlich vermerkt „ 7 Jahre alt!“ und die dann ergebende Wortfolge „ein Kind, 7 Jahre alt !“ durchgängig unterstreicht, eine Diskriminierung wegen des weiblichen Geschlechts begangen wurde.
Die Beklagte betreibt einen lokalen Radiosender und suchte im Frühjahr 2012 für eine Vollzeitstelle eine Buchhaltungskraft mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung. Die Klägerin bewarb sich auf die Stelle im April 2012, im beigefügtem Lebenslauf wies sie auf ihre Ausbildungen als Verwaltungsfachfrau und zur Bürokauffrau hin. Außerdem gab sie dort an „Familienstand: verheiratet. Ein Kind.“ Anfang Mai 2012 erhielt die Klägerin eine Absage, auf dem zurückgesandten Lebenslauf war der Angabe zum Familienstand hinzugefügt „ 7 Jahre alt !“, dies und die von der Klägerin stammende Aufgabe „ein Kind“ war unterstrichen. Die Klägerin sieht sich als Mutter eines schulpflichtigen Kindes, die eine Vollzeitbeschäftigung anstrebt, benachteiligt. Die Notiz der Beklagten auf ihrem Lebenslauf spreche dafür, dass die Beklagte Vollzeittätigkeit und die Betreuung eines siebenjährigen Kindes nicht oder nur schlecht für vereinbar halte. Die Beklagte hat eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts abgelehnt. Sie hat darauf verwiesen, eine junge verheiratete Frau eingestellt zu haben, die über eine höhere Qualifikation verfüge.
Die Revision der Beklagten, die vom LAG Hamm, Urteil vom 06.06.2013, Aktz.: 11 Sa 335/13, wegen mittelbarer Benachteiligung der Klägerin zu einer Entschädigung iHv. € 3000,- verurteilt worden war, hatte vor dem 8. Senat des BAG Erfolg.
Bei einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts kann die besondere Benachteiligung des einen Geschlechts durch ein dem Anschein nach neutrales Kriterium mit einem Verweis auf statistische Erhebungen dargelegt werden. Die herangezogene Statistik muss aussagekräftig, dh. für die umstrittene Fallkonstellation gültig sein. Die vom Berufungsgericht herangezogene Statistik ( Mikrozensus) für den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollbeschäftigten lässt nach Auffassung des BAG keine Aussagen für den Fall der Klägerin zu.
Das Landesarbeitsgericht als Tatsachengericht wird aber zu prüfen haben, ob in dem Verhalten der Beklagten nicht eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin als Frau zu sehen ist, was eine Auslegung des Vermerks auf dem zurückgesandten Lebenslauf erfordert.
Schulungskosten eines Betriebsratsmitglieds (BAG Beschluss vom 20.08.2014, Aktz.: 7 ABR 64/12)
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, den Betriebsrat von Schulungskosten freizustellen.
Seit April 2009 war im Betrieb eine Einigungsstelle mit drei Beisitzern je Seite zum Thema „Gefährdungsbeurteilung“ gebildet, die sich mit der Vereinbarung der Methoden für die anstehende Gefährdungsbeurteilung befasste. Der Betriebsrat entsandte in die Einigungsstelle das Betriebsratsmitglied S.
Das BAG führt aus, der Antrag des Betriebsrats ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unbegründet. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, den Betriebsrat von der Verpflichtung zur Zahlung der Schulungskosten freizustellen, die durch die Teilnahme von Frau S an dem Seminar „Verfahren für die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz“ entstanden sind. Er durfte diese Schulungsmaßnahme nicht für erforderlich halten.
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist.
Nach § 37 Abs. 6 Satz BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse in Betrieb und Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft entstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Dazu muss ein aktueller oder absehbarer betrieblicher oder betriebsratsbezogener Anlass dargelegt werden, aus dem sich der Schulungsbedarf ergibt. Lediglich bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern braucht die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt zu werden, wenn Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden.
Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Das entbindet ihn jedoch nicht von der Obliegenheit, im Streitfall darzulegen, weshalb das zu der Schulung entsandte Betriebsratsmitglied die dort vermittelten Kenntnisse braucht, damit das Gremium des Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen kann. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung ist nicht erforderlich, wenn sich der Betriebsrat vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann.
Bei dem Seminar wurden Kenntnisse über verschiedene Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung vermittelt. Diese Kenntnisse gehören nicht zum unverzichtbaren Grundwissen.
Die Erforderlichkeit der Schulung kann nicht mit der Tätigkeit der Frau S in der Einigungsstelle begründet werden, denn die Tätigkeit als Beisitzer in der Einigungsstelle gehört nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats und seiner Mitglieder. Die Einigungsstelle ist eine betriebsverfassungsrechtliche Institution eigener Art mit dem Zweck, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei der Gestaltung der betrieblichen Ordnung zu gewährleisten, indem sie durch Zwangsschlichtung Pattsituationen im Bereich der paritätischen Mitbestimmung auflöst. Die vom Arbeitgeber und vom Betriebsrat bestellten Beisitzer sind weder deren Vertreter noch deren verlängerter Arm, sondern wirken bei der Schlichtung des Regelungsstreits frei von Weisungen und mit einer gewissen inneren Unabhängigkeit mit. Es gehört nicht zu den Amtspflichten der Betriebsratsmitglieder, als Beisitzer in einer Einigungsstelle tätig zu werden.
Die Erforderlichkeit der Schulung konnte im vorliegenden Fall nicht damit begründet werden, der Betriebsrat müsse sich mit den Vorschlägen der Einigungsstelle in eigener Kompetenz auseinandersetzen können. Zwar ist ein solches Anliegen grundsätzlich berechtigt.
Ungeeignet ist aber, wie hier erfolgt, die Schulung eines in die Einigungsstelle entsandten Betriebsratsmitglieds durch eben die in die Einigungsstelle entsandten externen Beisitzer. Bei den von dem Betriebsrat entsandten externen Einigungsstellenbeisitzern handelte es sich zugleich um die Referenten der Schulung, zu der das Betriebsratsmitglied geschickt worden war.
Um übrigen habe der Betriebsrat nicht dargelegt, dass in der Schulung Kenntnisse vermittelt worden seien, die er nach Abschluss des Einigungsstellenverfahrens bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung, bei künftigen Ausgestaltungen benötigt noch dass Frau S die Kenntnisse als Mitglied des Arbeitsausschusses diese braucht.
Erstattung von Weiterbildungskosten – Transparenz einer Rückzahlungsklausel ( BAG v. 9.08.2013, 9 AZR 442/12 )
Die Arbeitgeberin verlangt von der Arbeitnehmerin, Weiterbildungskosten zu erstatten.
Im Streit steht dabei folgende „Nebenabrede zum Arbeitsvertrag“:
„(1) Im Rahmen der nachfolgend genannten Weiterbildung „Fachpflege Psychatrie“ wird die…. ( Arbeitgeberin ) jeden Mitarbeiter für den Besuch des Lehrgangs freistellen und die Lehrgangsgebühren übernehmen.
(2) Der Angestellte verpflichtet sich, die der ..(AG) entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Lohnfortzahlungskosten – wie nachfolgend beschrieben – zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Angestellten oder aus einem von ihm zu vertretenden Grunde endet. Ausgenommen ist die Kündigung bzw. der Auflösungsvertrag aufgrund einer Schwangerschaft oder Niederkunft in den letzten drei Monaten. Endet das Arbeitsverhältnis wie oben beschrieben, dann sind
- im ersten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs die gesamten Aufwendungen,
- im zweiten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs zwei drittel der Aufwendungen
- im dritten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs ein Drittel der Aufwendungen zurückzuzahlen.“
Das BAG hat entschieden, dass ein Anspruch auf Ersatz von Weiterbildungskosten nicht besteht. Die Rückzahlungsklausel in Nr. 2 der Nebenabrede ist intransparent ( § 307 Abs.1 Satz 2 BGB) und benachteiligt den Beklagten deshalb unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel entfällt ersatzlos und ist auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung mit einem zulässigen Inhalt aufrechtzuerhalten.
Damit eine Rückzahlungsklausel für Weiterbildungskosten dem Transparenzgebot genügt, muss sie die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber als Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Rückzahlungsklausel muss zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten angeben, sonst kann der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko nicht ausreichend abschätzen. Erforderlich ist die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen ( z.B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten), aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll, und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden.
Observation durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen ( BAG, Urteil vom 18. Februar 2015, Aktz.: 8 AZR 1007/13)
Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Für dabei heimlich hergestellte Abbildungen gilt dasselbe. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann ein Geldentschädigungsanspruch („Schmerzensgeld“) begründen.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig. Ab dem 27. Dezember 2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt, zunächst mit Bronchialerkrankungen. Für die Zeit bis 28. Februar 2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuerst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31. Januar 2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie. Der Geschäftsführer der Beklagten bezweifelte den zuletzt telefonisch mitgeteilten Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte von Mitte bis Ende Februar 2012 an vier Tagen. Beobachtet wurden u.a. das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Klägerin in einem Waschsalon. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt.
Die Klägerin hält die Beauftragung der Observation einschließlich der Videoaufnahmen für rechtswidrig und fordert ein Schmerzensgeld, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Sie trägt vor, sie habe erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten, die ärztlicher Behandlung bedürften.
Das BAG bestätigte das Urteil des LAG, mit dem der Klägerin € 1.000,- zugesprochen wurden. Die Observation einschließlich der heimlichen Aufnahmen war rechtswidrig. Der Arbeitgeber hatte keinen berechtigten Anlass zur Überwachung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst ärztlich behandelt worden war.
Mitbestimmung bei Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes ( BAG 18.03.2014, 1 ABR 73/12)
Das BAG hat entschieden, dass der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen hat, wenn der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung erforderlicher Maßnahmen des Arbeitsschutzes nach § 3 Abs. 2 ArbGG eine geeignete Organisation aufzubauen und ausgewählten Arbeitnehmern hierbei näher bezeichnete Aufgaben zu übertragen beabsichtigt.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen, das sich u.a. mit der Installation und der Wartung von Aufzügen befasst. Mit Schreiben vom 16.09.2010 übertrug sie in ihrem Hamburger Betrieb ihr obliegende Pflichten des Arbeitsschutzes für die gewerblichen Arbeitnehmer auf die dort beschäftigten Meister. Zugleich gab sie diesen auf, die entsprechenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf die ihnen unterstellten Mitarbeiter mit Vorgesetztenstellung zu delegieren. Den Betriebsrat beteiligte sie hierbei nicht. Dieser hat geltend gemacht, er habe bei der Schaffung einer Organisation zum betrieblichen Arbeitsschutz mitzubestimmen.
Hinweis:
Der Betriebsrat kann einen allgemeinen Antrag auf Feststellung seines Mitbestimmungsrechts stellen, wenn er eine Klärung für ünftig zu erwartende, vergleichbare Fälle begehrt. Handelt es sich bei der Übertragung der Unternehmerpflichten um eine Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegende Maßnahme, könnte der Betriebsrat verlangen, an der noch fortgeltenden Übertragung beteiligt zu werden und gemeinsam eine – eventuell abweichende – Regelung zu verlangen.
Nach Auffassung des BAG hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber diese aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verbleiben. Das Mitbestimmungsgesetz setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutz zu erreichen.
Es geht dabei um eine Maßnahme, die dazu dient, die psychische und physische Integrität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erhalten, der arbeitsbedingten Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, die zu medizinisch feststellbare Verletzungen oder Erkrankungen führen oder führen können, wobei auch vorbeugende Maßnahme erfasst werden. Mit „Organisation“ im Sinne dieser Regelung ist die Ablauf- und Aufbauorganisation des betrieblichen Gesundheitsschutzes gemeint. Das bedeutet, dass es um die Regelung von Zuständigkeiten und Arbeitsabläufen geht. Mit unkoordinierten Einzelmaßnahmen lässt sich eine derartige Organisation nicht verwirklichen, vielmehr muss es ein Konzept für die Umsetzung der Aufgaben durch Personen und in geregelten Ablaufbahnen geben.
Mit dem Schreiben vom 16.09.2010 habe die Arbeitgeberin eine zur Durchführung des betrieblichen Arbeitsschutzes geeignete Organisation mit näher bezeichneten Aufgaben und Verantwortlichkeiten geschaffen. Hierfür schreibe das Arbeitsschutzgesetz dem Arbeitgeber kein bestimmtes Modell vor. Es bestimme lediglich einen Rahmen für die Entwicklung einer an den betrieblichen Gegebenheiten ausgerichteten Organisation. Die hierdurch eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats.
Krankheitsbedingte außerordentliche Kündigung bei häufigen Kurzerkrankungen ( BAG, Urteil v. 23.01.2014, Aktz.: 2 AZR 582/13 )
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist.
Die Klägerin war seit 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 war die Klägerin wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Der Personalärztliche Dienst attestierte ihr jeweils eine positive Prognose, die Tendenz in den letzten drei Jahren war fallend. Die durchschnittliche jährliche Fehlzeit betrug 11,75 Wochen.
Das BAG entschied, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. März 2012 nicht aufgelöst worden ist.
Zunächst hat das BAG zu der Frist des § 626 Abs. 2 BGB wie folgt ausgeführt:
- die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist auch im Fall einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist einzuhalten.
- bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen, lässt sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eindeutig fixieren. Liegt ein solcher Tatbestand vor, reicht es zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt, auch noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben waren ( BAG 26.11.2009, 2 AZR 272/08)
- im Fall einer lang andauernden – durchgehenden – Arbeitsunfähigkeit liegt ein solcher Dauertatbestand vor
- auch häufige Kurzerkrankungen können einen Dauertatbestand darstellen. Kündigungsgrund ist dabei nicht die Erkrankung als solche, sondern die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Die verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen. Da der Arbeitnehmer in den Fällen häufiger Kurzerkrankungen typischerweise über einen längeren Zeitraum hinweg teilweise gesund, teilweise arbeitsunfähig erkrankt ist, kommt es für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung – zufällig – arbeitsunfähig war. Maßgebend ist vielmehr allein, ob der Kündigungsgrund, d.h. die auf der fortbestehenden Krankheitsanfälligkeit beruhende negative Prognose sowie die sich daraus ergebende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung fortbestanden hat. Sinn und Zweck von § 626 Abs. 2 BGB stehen dem nicht entgegen. Ziel des § 626 Abs.2 BGB ist es, dem Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Kündigungsberechtigte einen bestimmten Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt. In Fällen krankheitsbedingter Fehlzeiten besteht ein solches Interesse an schneller Klärung nicht. Im Gegenteil dient es den Belangen des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die weitere Entwicklung beobachtet und mit einer möglichen Kündigung noch zuwartet, um die Chance einer Prognoseänderung offen zu halten.
Die Kündigung war jedoch unwirksam, da ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB fehlt.
Die Wirksamkeit einer auf häufige Kurzerkrankungen gestützten ordentlichen Kündigung setzt zunächst eine negative Gesundheitsprognose voraus. Im Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung sprechen – erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer solchen Beeinträchtigung führen – zweite Stufe. Ist dies der Fall, ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen – dritte Stufe ( BAG 30. September 2010 – 2 AZR 88/09, BAG 23. April 2008 – 2 AZR 1012/06).
Bei einer außerordentlichen Kündigung ist dieser Prüfungsmaßstab auf allen drei Stufen erheblich strenger. Es bedarf eines graierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Die Voraussetzungen hielt das Gericht nicht für gegeben.
In dem ersten Fall der „klassischen“ Nichtverlängerungsmitteilung gegenüber einer Maskenbildnerin hat das BAG mit Urteil vom 13.12.2017 (7 AZR 369/16) entschieden, dass die Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit im Arbeitsvertrag einer Maskenbildnerin an einer Bühne geeignet ist, die Befristung des Arbeitsvertrages wegen der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG zu rechtfertigen. Die Befristungskontrollklage wurde abgewiesen.
Insbesondere bedeutsam an dieser Entscheidung ist, dass sich das BAG mit der Frage der Europarechtswidrigkeit des Befristungs-Regime des NV Bühne beschäftigt hat und diese auch mit Blick auf die sogenannte Kücük-Entscheidung des EuGH ausdrücklich auch bei einer längeren Befristungsdauer verneint hat.
Schließlich hat das BAG in dem Urteil vom 13.12.2017 aber auch noch einmal unter Hinweis auf die BAG-Entscheidungen vom 28.1.2009 (hier AZR 987/07) und vom Februar 2009 ( 7 AZR 942/07) klargestellt, dass die Vereinbarung der Vertragsparteien, dass eine überwiegend künstlerische Tätigkeit geschuldet sei, auch materiell-rechtlich zu einer Rechtfertigung der Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung führe.
Ordentliche Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen – Unterlassen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ( BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13)
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen.
Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen.
Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang, kontinuierlich ansteigend wegen Krankheit arbeitsunfähig.
Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert.
Zu Gunsten der Beklagten konnte weiter unterstellt werden, dass sie damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen.
Die Kündigung war dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hatte das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.
Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung eines gesetzlich gebotenen betrieblichen Eingliederungsmanagements zu ergreifen. Dazu gehört, dass er den Arbeitnehmer auf die Ziele des bEM sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinweist.
Hat der Arbeitgeber die gebotene Initiative nicht ergriffen, muss er zur Darlegung der Verhältnismäßigkeit einer auf krankheitsbedingten Fehlzeiten gestützten Kündigung nicht nur die objektive Nutzlosigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG aufzeigen. Er muss vielmehr auch dartun, dass künftige Fehlzeiten ebenso wenig durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger in relevantem Umfang hätten vermieden werden können.
Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden.