Ihre Verteidigungsrechte bei Streiks: Dies sind die erlaubten Gegenstrategien

Als Arbeitgeber müssen Sie immer daran denken, dass im Streikrecht der Grundsatz der "Kampfparität" zwischen den Tarifvertragsparteien besteht, d.h. Sie auf einen Streik als Arbeitgeber umgekehrt mit einem kollektiven "Kampfmittel" reagieren dürfen. Als "Verteidigungsmittel" kommt hierbei für Sie in erster Linie die Aussperrung in Betracht.

 

Beispiel:

"Aussperrung als Gegenmittel" Während eines schon laufenden Streiks schließen Sie planmäßig mehrere Arbeitnehmer Ihres Betriebes von der Beschäftigung und Lohnzahlung aus.

Folge:

Solange Sie als Arbeitgeber auch Ihrerseits Grenzen der Verhältnismäßigkeit beachten, ist die Aussperrung zulässig (BAG, Urteil vom 11.08.1992 - 1 AZR 103/92 in NZA: 1993, Seite 39 f). Dies bedeutet, dass Sie sich als "Pendant" zum Streik Ihrerseits stets mit dem Mittel der Aussperrung gegen einen Streik verteidigen dürfen, solange Sie Ihrerseits die Grenzen der Verhältnismäßigkeit wahren.

Beachte:

Die Aussperrung kann aber auch ohne vorausgehenden Streik darauf gerichtet sein, die Arbeitnehmerseite (z.B. Gewerkschaft) zum Abschluss eines Tarifvertrages zu bewegen (sogenannte Angriffsaussperrung). Die Angriffsaussperrung ist auch gegenüber einem rechtswidrigen Streik, insbesondere gegen einen "wilden Streik" zulässig.

Wichtiger Hinweis!

Aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit hat die Rechtsprechung das Recht der Arbeitgeberseite zur Aussperrung jedoch eingeschränkt. Maßgebend für den Umfang einer Abwehraussperrung ist hierbei regelmäßig der Umfang des Angriffsstreiks.

Beispiel:

"Arbeitskampfarithmetik" Auf Arbeitnehmerseite streiken innerhalb eines Tarifgebiets 25 % der Arbeitnehmer.

Folge:

In diesem Fall kann eine Abwehraussperrung ebenfalls 25 % der Arbeitnehmer umfassen (BAG, Urteil vom 10.06.1980 in AP Nr. 65 zu Artikel 9 GG Arbeitskampf = NJW 1980, Seite 1653). Dies bedeutet, dass Sie als Arbeitgeber bei Wahrnehmung Ihrer Verteidigungsrechte (z.B. Aussperrung) stets "Augenmaß" bewahren und nicht mit "Kanonen auf Spatzen" schießen sollten. Als unverhältnismäßig hat das BAG

  • eine unbefristete Aussperrung auf Bundesebene gegenüber einzelner Teilstreiks von kurzer Dauer (BAG, Urteil vom 12.03.1985, AP Nr. 84 zu Artikel 9 Arbeitskampf = NZA 1985 Seite 537)
  • eine Aussperrung von 2 Tagen gegenüber einem halbstündigen Warnstreik (BAG, Urteil vom 11.08.1992 in AP Nr. 24 zu Artikel 9 GG Artikel 9 Arbeitskampf = NZA 1993, Seite 39).

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Arbeitgeber-Tipp:

Soweit Sie als einzelner Arbeitgeber und nicht Ihr Arbeitgeberverband die Aussperrung veranlasst, müssen Sie unbedingt darauf achten, dass diese auch auf einem Beschluss des den Arbeitskampf führenden Arbeitgeberverbandes beruht, da sie ansonsten rechtswidrig ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Sie als einzelner Arbeitgeber auf den Abschluss eines Firmentarifvertrages in Anspruch genommen werden.

Beispiel:

"Gegenwehr bei Firmentarif" Die Gewerkschaft leitet in Ihrem Unternehmen Arbeitskampfmaßnahmen mit dem Ziel eines Tarifsozialplans ein. Sie überlegen sich, wie Sie auf die Streikmaßnahme der Gewerkschaft reagieren sollen.

Folge:

Da auch die Forderung nach einem Tarifsozialplan zum Gegenstand von Verhandlungen eines Firmentarifvertrages gemacht werden kann, sind Sie als einzelner Arbeitgeber berechtigt, mit einer Abwehraussperrung zu reagieren (vgl. BAG, Urteil vom 24.04.2007, 1 AZR 252/06).

Wichtiger Hinweis:

Durch die rechtmäßige Aussperrung werden die Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Lohnzahlung einseitig suspendiert. Darüber hinaus ist es Ihnen als Arbeitgeber jedoch auch erlaubt, solche Arbeitnehmer auszusperren, die aufgrund anderer Vorschriften (z.B. Entgeltfortzahlungsgesetz) gegenwärtig nicht zu Arbeitsleistungen verpflichtet sind.

Beispiel:

"Aussperrung sperrt nicht Lohnfortzahlung" Als Reaktion auf einen Streik wollen Sie im Zuge einer Abwehraussperrung auch erkrankte Arbeitnehmer aussperren.

Folge:

Zulässig ist es, auch erkrankte Arbeitnehmer mit der Folge auszusperren, dass ihr Anspruch auf Lohnfortzahlung entfällt (BAG, Urteil vom 07.06.1988 in AP Nr. 107 zu Artikel 9 GG Arbeitskampf = NZA 1988, Seite 890).

Arbeitgeber-Tipp!

Auch während eines Arbeitskampfes ist es Ihnen als Arbeitgeber erlaubt, dennoch bestimmte Arbeiten zu verrichten (sogenannte Erhaltungsarbeiten). Dies sind diejenigen Arbeiten, die erforderlich sind, um die Anlagen und Betriebsmittel während des Arbeitskampfes so zu erhalten, dass nach Beendigung des Kampfes die Arbeit fortgesetzt werden kann.

Arbeitgeber-Tipp!

Neben der Aussperrung können Sie sich gegen einen Streik aber auch noch damit verteidigen, dass Sie Ihren Betrieb einfach stilllegen (Einstellung der Betriebstätigkeit).

Beispiel:

"Vorübergehende Betriebsstilllegung gegen Flashmob" Um auf die als Folge der streikbegleitenden Flashmob-Aktionen eingetretenen Betriebsstörungen zu reagieren, ordnen Sie die vorübergehende Stilllegung Ihres Lebensmittelbetriebes an.

Folge:

Die höchstrichterliche Rechtsprechung lässt auch eine vorübergehende Einstellung der betrieblichen Tätigkeit im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu (BAG, Urteil vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08). Sie sind als Arbeitgeber also bei einem Streik nicht verpflichtet, einen bestreikten Betrieb oder Betriebsteil soweit als möglich aufrecht zu erhalten. Als Gegenstrategie (z.B. Flashmob-Aktion) sollten Sie als Arbeitgeber daher auch erwägen, einfach Ihren Betrieb für die Dauer des Streiks stillzulegen. Denn auch dieses "Arbeitskampfmittel" hat zur Folge, dass die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert werden und auch Ihre arbeitswilligen Arbeitnehmer ihren Lohnanspruch verlieren.

Arbeitgeber-Tipp!

Denken Sie unbedingt immer daran, dass Wirksamkeitsvoraussetzung für den Wegfall des Entgeltanspruchs als Folge einer Einstellung der Betriebstätigkeit stets ist, dass ein Beschluss der Gewerkschaft zum Streik gegeben ist.

Checkliste:

Wissen Sie als Arbeitgeber, dass das Streikrecht durch die grundrechtlich geschützte Tarifautonomie garantiert ist? Wenn ja, sollten Sie aber noch daran denken, dass Arbeitskampfmittel (z.B. Streik, Aussperrung) nur zwecks Erreichung eines Tarifvertrages und nicht zwecks Verfolgung politischer Ziele (z.B. "Sympathiestreiks") erlaubt sind. Haben Sie bedacht, dass Arbeitskampfmittel nicht schrankenlos zulässig sind? Wenn nein, sollten Sie unbedingt daran denken, dass Sie die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten generellen Grundsätze für die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen einhalten müssen. Haben Sie ferner bedacht, dass Arbeitskämpfe nur von den Tarifvertragsparteien (Gewerkschaften einerseits und Arbeitgeberverbände andererseits) geführt werden dürfen? Wenn nein, sollten Sie daran denken, dass Sie sogenannte "wilde Streiks" nicht dulden müssen und diese immer rechtswidrig sind. Wussten Sie auch, dass während der Laufzeit eines Tarifvertrages nicht gestreikt werden darf? Wenn nein, müssen Sie auch daran denken, dass bei einem ungekündigten Tarifvertrag immer die Friedenspflicht besteht und Arbeitskämpfe daher immer rechtswidrig sind. Wussten Sie, dass Sie einen rechtswidrigen Arbeitskampf (z.B. wilder Streik) nicht arglos hinnehmen müssen und sich hiergegen wehren dürfen? Wenn ja, sollten Sie von Ihrem Unterlassungsanspruch gegen die streikführende Gewerkschaft Gebrauch machen. Haben Sie auch gewusst, dass, wenn Sie mit einem Streik überzogen werden, Sie sich hiergegen mit bestimmten Gegenstrategien wehren können? Wenn nein, sollten Sie unbedingt daran denken, dass Sie gegen einen Streik sowohl mit dem Mittel der Aussperrung als auch einer vorübergehenden Betriebsstilllegung vorgehen können und auch hierdurch Vergütungsansprüche Ihrer Mitarbeiter vermeiden können.

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