Streik: Was gilt und was Sie als Arbeitgeber beachten müssen

Die durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz den Verbänden (z.B. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden) verliehene Befugnis, ihre Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen selbst autonom durch Tarifverträge zu regeln, stellt Ihnen auch ein Zwangsmittel zur Verfügung, mit dessen Hilfe sie den jeweiligen "sozialen Gegenspieler" zum Abschluss eines Tarifvertrages bewegen können. Dieses Zwangsmittel ist der Arbeitskampf in seinen einzelnen Formen des Streiks und der Aussperrung.

 

Beispiel:

Der Lokführer-Streik Eine Spartengewerkschaft fordert von der Arbeitgeberseite einen eigenständigen Tarifvertrag für das Fahrpersonal sowie für die Lokführer, der u.a. Regelungen über eine Erhöhung der Monatsgehälter sowie Arbeitszeitänderungen vorsehen soll.

Folge:

Da das "Kampfziel" des Streiks auf den Abschluss eines Tarifvertrages gerichtet ist, ist der Streik rechtmäßig. Dies gilt selbst dann, wenn ein "Spezialisten- oder Sparten"-Tarifvertrag von einem umfassenderen Tarifvertrag einer konkurrierenden Gewerkschaft verdrängt wird (Sächsisches LAG, Urteil vom 02.11.2007 - 7 Sa Ga 19/07). Als Arbeitgeber müssen Sie also zunächst beachten, dass die grundrechtlich geschützte Tarifautonomie der Gewerkschaft als Ihrem "sozialen Gegenspieler" als Arbeitskampfmittel auch das Streikrecht garantiert. Zulässiges "Kampfziel" des mit dem Streik erstrebten Tarifvertrages kann dabei nicht nur die Verbesserung oder die Abwehr einer Verschlechterung von Arbeitsbedingungen, sondern auch der erstmalige Abschluss eines Tarifvertrages sein (z.B. Spezialisten- oder Spartentarifvertrages wie bei Lokführern, Fluglotsen, Orchestermusikern).

Beachte:

Arbeitskämpfe greifen nicht nur in die Rechtsbeziehung der Tarifvertragsparteien und der Arbeitsvertragsparteien ein, sondern können sich auch auf unbeteiligte Dritte (z.B. Bahnkunden) oder aber der Allgemeinheit (z.B. der Volkswirtschaft) auswirken. Dies bedeutet, dass Sie schon mit Rücksicht darauf, dass Arbeitskämpfe nicht schrankenlos zulässig sind unbedingt immer die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten generellen Grundsätze für die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen einhalten müssen. Für alle Arbeitskampfmaßnahmen gilt daher für Sie als Arbeitgeber zunächst:

  • Arbeitskampfmaßnahmen stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit
  • Arbeitskämpfe dürfen nur insoweit eingeleitet und durchgeführt werden, als sie zur Erreichung rechtmäßiger Kampfziele und des nachfolgenden Arbeitsfriedens geeignet und sachlich erforderlich sein,
  • jede Arbeitskampfmaßnahme - sei es Streik, sei es Aussperrung - darf nur nach Ausschöpfung aller Verständigungsmöglichkeiten ergriffen werden; der Arbeitskampf muss das letzte mögliche Mittel (Ultima ratio) sein,
  • auch bei der Durchführung des Arbeitskampfes selbst, und zwar sowohl beim Streik als auch bei der Aussperrung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit betrifft nicht nur den Zeitpunkt und das Ziel, sondern auch die Art der Durchführung und die Intensität des Arbeitskampfes, nach beendetem Arbeitskampf müssen wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beide Parteien jeweils dazu beitragen, dass sobald wie möglich und in größtmöglichem Umfang der Arbeitsfrieden wieder hergestellt wird.

Immer wenn also Arbeitskampfmaßnahmen (z.B. Streiks, Aussperrung) diese Grundsätze verletzen, sind Streiks immer rechtswidrig.

Beispiel:

"Der zeitlich befristete Streik" Die Spartengewerkschaft hat bisher nur im Personalnahverkehr eines Bundeslandes vereinzelt und zeitlich - nach vorheriger Vorankündigung - Streiks durchgeführt, was zu nicht unerheblichen Beeinträchtigungen und Schäden geführt hat.

Folge:

Der Streik ist auch unter Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen (Auswirkungen auf die Volkswirtschaft) unter keinem Gesichtspunkt unverhältnismäßig und daher auch nicht rechtswidrig (Sächsisches LAG, Urteil vom 02.11.2007, 7 Sa Ga 19/07).

Wichtiger Hinweis!

Arbeitskämpfe dürfen stets nur von den Tarifvertragsparteien, den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden oder einem einzelnen Arbeitgeber geführt werden. Unzulässig sind dagegen die sogenannten "wilden Streiks", die einzelne Arbeitnehmer eines Betriebes etwa zum Zwecke der Herbeiführung besserer Arbeitsbedingungen führen.

Beispiel:

"Der wilde Streik" Eine Mehrheit von Lokführern legt kollektiv die Arbeit nieder, ohne dass dies von der Gewerkschaft veranlasst wurde.

Folge:

Dieser "wilde Streik" ist rechtswidrig, da er nicht von der Gewerkschaft veranlasst und getragen wurde. Sie müssen als Arbeitgeber daher zunächst zwischen dem gewerkschaftlich organisierten und ausgerufenen Streik und dem "wilden Streik", der rechtswidrig ist, unterscheiden. Die Gewerkschaft kann jedoch einen solchen "wilden Streik" übernehmen und als eigenen führen, wodurch er dann von Anfang an rechtmäßig wird, sofern er nicht aus anderen Gründen rechtswidrig bleibt (z.B. fehlende Verhältnismäßigkeit).

Wichtiger Hinweis:

Da Streiks immer nur als kollektives Arbeitskampfmittel eingesetzt werden dürfen, sind sogenannte Sympathie-Arbeitskämpfe, mit denen der Arbeitskampf einer anderen Tarifvertragspartei unterstützt werden soll, grundsätzlich unzulässig. Das gilt vor allem für gewerkschaftliche Sympathiestreiks zugunsten von Arbeitskämpfen im Ausland.

Beispiel:

"Der tarifwidrige Arbeitskampf" Um Solidarität mit einem "Generalstreik" in Frankreich wegen der dortigen Auseinandersetzung des Rentenalters zu demonstrieren, ruft eine deutsche Gewerkschaft ihre Mitglieder zu einem "Solidaritätsstreik" mit dem französischen Kollegen auf.

Folge:

Da es sich bei diesem "Solidaritätsstreik" um einen politischen Arbeitskampf handelt, ist dieser rechtswidrig. Streikaktionen dürfen daher nicht innerhalb der Arbeitszeit erfolgen. Dies bedeutet, dass Sie als Arbeitgeber bei Streiks immer beachten müssen, dass Arbeitskämpfe nur zwecks Erreichung eines Tarifvertrages als "Kampfziel", nicht jedoch bei politischen Arbeitskämpfen, z.B. Generalstreiks, Solidaritätsstreiks erlaubt sind.

Arbeitgeber-Tipp:

Ausnahmsweise hat das Bundesarbeitsgericht jüngst jedoch einen Unterstützungsstreik außerhalb der Grenzen eines Tarifgebietes für rechtmäßig erklärt, wenn er geeignet ist, den Hauptarbeitskampf zu unterstützen, erforderlich und angemessen ist (BAG, Urteil vom 19.06.2007 - 1 AZR 396/06 in: DB 2007, Seite 2038 ff.). Wenn Sie sich also nicht sicher sind, was genau "gilt", sollten sie sich daher, um auf "Nummer sicher" zu gehen, bei Ihren zuständigen Arbeitgeberverband erkundigen, wie Sie auf konkrete Arbeitskampfmaßnahmen am besten reagieren sollen (z.B. Aussperrung, Betriebsstilllegung).

Wichtiger Hinweis!

Beim Arbeitskampfrecht (z.B. Streik, Aussperrung) müssen Sie als Arbeitgeber aber bedenken, dass Sie stets die Grenzen beachten müssen, die die Tarifvertragsparteien selbst für etwaige Arbeitskämpfe gezogen haben. Arbeitskämpfe sind daher auch immer rechtswidrig, wenn Sie zu einer Zeit geführt werden, wenn zwischen den Tarifpartnern noch die sogenannte Friedenspflicht besteht, also die entsprechende Materie noch tarifvertraglich geregelt ist.

Beispiel:

Friedenspflicht geht vor Zwischen der "Christlichen Gewerkschaft" und dem Arbeitgeberverband "Gesamtmetall" besteht noch ein ungekündigter, zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossener Tarifvertrag.

Folge:

Die Tarifvertragsparteien haben durch Abschluss von Tarifverträgen selbst ihrer Arbeitskampffreiheit beschränkt und unterliegen der Friedenspflicht, d.h. es darf nicht gestreikt werden (BAG, Urteil vom 19.06.2007, 1 AZR 396/06, in DB: 2007 S. 2039). Solange eine tarifvertragliche Regelung noch besteht, müssen Sie als Arbeitgeber also nicht befürchten, mit Arbeitskampfmaßnahmen überzogen zu werden. Die mit einem Tarifvertrag verbundene Friedenspflicht schützt Sie also während der Laufzeit eines Tarifvertrages davor, in zulässiger Weise mit einem Streik konfrontiert zu werden.

Wichtiger Hinweis:

Da es eine zeitliche Grenze der Friedenspflicht gibt (Laufzeit eines Tarifvertrages), sollten Sie als Arbeitgeber also nach Kündigung eines für Sie anwendbaren Verbandstarifvertrages immer genau überprüfen, ob die Kündigungsfrist abgelaufen war.

Beachte:

Immer wenn die Modalitäten des Arbeitskampfes durch gesonderte Schlichtungsabkommen geregelt ist, gehen diese vereinbarten "Arbeitskampfregeln" dem richterlich geprägten Arbeitskampfrecht vor.

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