1. Schritt: Antrag des Arbeitgebers
Wenn Sie als Arbeitgeber eine ordentlichen Kündigung aussprechen wollen, müssen Sie daran denken, dass Sie vorher nicht nur das gesetzlich vorgeschriebene Zustimmungsverfahren (Antrag auf Zustimmung), sondern auch zwingend die hier vorgegebene Schriftform einhalten müssen (§ 87 Absatz 1 Satz 1 SGB IX).
Beispiel:
"Schriftform ein Muss" Sie wollen gegenüber Bruno G. eine ordentliche Kündigung aussprechen und beim Integrationsamt das Zustimmungsverfahren einleiten.
Folge:
Hier dürfen Sie nicht vergessen, die Zustimmung zur Kündigung bei dem für Sie zuständigen Integrationsamt unbedingt schriftlich zu beantragen (§ 87 Absatz 1 Satz 1 SGB IX). Dies bedeutet, dass Sie bei Ihrem Antrag beim Integrationsamt gemäß § 126 BGB unbedingt die Schriftform (Originalunterschrift) einhalten müssen, um nicht die Unwirksamkeit des Verfahrens und damit der später von Ihnen auszusprechenden Kündigung riskieren.
Muster: Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes
An das Integrationsamt Betr.: Schwerbehinderter ______(Name, Vorname, Geburtsdatum, falls bekannt: Aktenzeichen des zuständigen Versorgungsamtes)
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir beantragen die Zustimmung zur ordentlichen / außerordentlichen Kündigung der Schwerbehinderten ______ (Name, Adresse, Geburtsdatum, falls bekannt: Aktenzeichen des Versorgungsamtes).
Der Schwerbehinderte ist ledig ( verheiratet, verwitwet, geschieden). Er hat einen Grad der Behinderung von ____%. Er hat folgende Unterhaltsverpflichtungen:______. Die Schwerbehinderung ist nachgewiesen durch ______/ nicht nachgewiesen. Ein Antrag auf Feststellung des Grades der Schwerbehinderung ist beim Versorgungsamt ______ am _____ gestellt worden.
Der Schwerbehinderte wurde am _____ eingestellt. Er ist als _____ tätig.
Das letzte Bruttomonatsgehalt betrug______€. Die Kündigung soll mit einer gesetzlichen Kündigungsfrist von_____ zum _____ erfolgen. ( alternativ: Wir beabsichtigen dem Schwerbehinderten außerordentlich fristlos zu kündigen). Die Kündigung ist erforderlich, weil______.
Der Antragsteller beschäftigt ______ Arbeitnehmer. Die Pflichtzahl beträgt______. Zur Zeit werden _____ Schwerbehinderte beschäftigt.
Hiervon sind _____ älter als 50 Jahre. Bei _____ Arbeitnehmern / Arbeitnehmerinnen liegen die Voraussetzungen des § 90 SGB IX vor. Für weitere Auskünfte steht Ihnen Herr/ Frau ______ zur Verfügung. Wir fügen die Stellungnahme des Betriebsrates / der Schwerbehindertenvertretung bei.
________ Unterschrift
2. Schritt: Entscheidung des Integrationsamtes
Nachdem das Integrationsamt gem. § 87 Absatz 1 BetrVG eine Stellungnahme des Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung eingeholt und den schwerbehinderten Menschen angehört hat (§ 87 Absatz 2 SGB IX) hat das Integrationsamt dann zwingend innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs Ihres Antrags an eine Entscheidung treffen (§ 88 Satz 1 SGB IX). Hierbei trifft das Integrationsamt seine Entscheidung, ob es Ihren Antrag gemäß § 87 Absatz 1 Satz 1 SGB IX stattgibt oder ablehnt grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen (Interessenabwägung).
Wichtiger Hinweis:
Ob die beabsichtigte Kündigung im Sinne des § 1 Absatz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sozial gerechtfertigt ist, hat das Integrationsamt hierbei im Zusammenhang nach § 87 Absatz 1 SGB IX grundsätzlich nicht zu prüfen und ist den Arbeitsgerichten vorbehalten.
Beispiel:
"Kündigungsschutzgesetz als Kündigungsmaßstab der Ermessensentscheidung irrelevant" Das Integrationsamt hat sich bei der personenbedingten Kündigung von Bruno G. auf den Standpunkt gestellt, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist.
Folge:
Das Integrationsamt darf bei seiner Ermessensentscheidung nur den Sachverhalt zugrunde legen, mit dem Sie als Arbeitgeber Ihre Kündigung rechtfertigen. Dies bedeutet, dass das Integrationsamt bei seiner Ermessensentscheidung immer nur den von Ihnen geschilderten Kündigungssachverhalt zugrunde legen darf. Hierbei ist zu beachten, dass die Interessen des Schwerbehinderten umso mehr wiegen, als der Kündigungsgrund mit der Behinderung in keinem Zusammenhang steht.
Beispiel:
"Beleidigung auch bei Behinderung ein no-go" Da Bruno G. Sie auf das Gröbste beleidigt hat, wollen Sie ihm jetzt kündigen.
Folge:
Hier muss das Integrationsamt der personenbedingten Kündigung zustimmen.
Beachte:
Das Ermessen des Integrationsamtes ist ausdrücklich gesetzlich bei Kündigungen in Betrieben eingeschränkt, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden (§ 89 Absatz 1 Satz 1 SGB IX). Dies gilt nicht, wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers möglich und zumutbar ist 83 () Absatz 1 Satz 3 SGB IX).
Arbeitgeber-Tipp:
Bei Betriebsschließungen und im Rahmen einer Insolvenz muss die Entscheidung des Integrationsamtes (gemäß § 88 Absatz 5 Satz 1 SGB IX) innerhalb eines Monats nach Antragstellung erfolgen. Entscheidet es innerhalb dieser Frist nicht, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 88 Absatz 5 Satz 2 SGB IX).
Beispiel:
"Die fingierte Zustimmung" Sie beabsichtigen, Bruno G. aufgrund einer Betriebsschließung zu kündigen und haben einen rechtswirksamen Antrag gestellt, der auch noch nicht nach 1 Monat entschieden wurde.
Folge:
Da das Integrationsamt nicht innerhalb der Monatsfrist entschieden hat, greift die Zustimmungsfiktion des § 88 Absatz 5 Satz 2 SGB IX ein und Sie dürfen kündigen. Sobald das Integrationsamt gemäß § 88 Absatz 1 SGB IX innerhalb der Monatsfrist eine Entscheidung getroffen hat, ist diese Ihnen als Arbeitgeber sowie auch dem Schwerbehinderten zuzustellen (§ 88 Absatz 2 SGB IX), nachdem dieser zuvor angehört wurde (§ 87 Absatz 2 SGB IX).
Beispiel:
"Anhörung des schwerbehinderten Menschen ein Muss" Das Integrationsamt hat im Rahmen des Zustimmungsverfahrens vergessen, Bruno G. anzuhören.
Folge:
Da die Anhörung gemäß § 87 Absatz 2 SGB IX eine Verfahrensvoraussetzung darstellt, ist die Entscheidung des Integrationsamtes unwirksam und damit anfechtbar.
3. Schritt: Kündigungserklärung
Sobald das Integrationsamt die beantragte Zustimmung erteilt hat bzw. die Zustimmungsfiktion des § 88 Absatz 5 SGB IX greift, müssen Sie jedoch unbedingt noch daran denken, dass Sie die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides erklären dürfen (§ 88 Absatz 3 SGB IX).
Beispiel:
"Kündigungserklärung mit Verfallsdatum" Die Entscheidung wurde Ihnen am 9. Mai 2011 zugestellt, Sie erklären die Kündigung aber erst im August.
Folge:
Da Sie die Monatsfrist des § 88 Absatz 3 SGB IX versäumt haben, dürfen Sie nicht kündigen und müssen einen zweiten Zustimmungsantrag stellen (§ 87 Absatz 1 Satz 1 SGB IX). Um den "Verbrauch" Ihres Kündigungsrechts zu vermeiden, müssen Sie also unbedingt immer die Monatsfrist des § 88 Absatz 3 SGB IX beachten. Hierbei ist Ihnen dringend zu empfehlen, darauf zu achten, dass die Kündigung dem Arbeitnehmer auch innerhalb dieser einmonatigen Ausschlussfrist zugeht. Arbeitgeber-Tipp: So reagieren Sie bei Verweigerung der Zustimmung durch das Integrationsamtes: Gegen die Verweigerung der Zustimmung können Sie als Arbeitgeber zunächst Widerspruch und bei Zurückweisung des Widerspruchs Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht erheben.