Ohne wichtigen Grund geht es nicht

Die außerordentlichen Kündigung ist ausschließlich in § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Die außerordentliche Kündigung erfolgt im Allgemeinen fristlos (außerordentliche fristlose Kündigung).

 

1. Schritt: zum wichtigen Grund

Die rechtliche Beurteilung der außerordentlichen Kündigung ist in der Weise vorzunehmen, dass zunächst in einem ersten Schritt zu prüfen ist, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben.

Beispiel:

"Bei Straftaten fristlos" Ihre Verkäuferin Emma G. hat in Ihrem Discount-Unternehmen 62 Miniflaschen Alkoholika und zwei Rollen Küchenkrepp mitgenommen. Sie meint, die Waren seien unverkäuflich. Sie wollen G. dennoch fristlos kündigen.

Folge:

Der Diebstahl bzw. die Unterschlagung geringwertiger Sachen aus dem Eigentum des Arbeitgebers ist an sich dazu geeignet, einen wichtigen Grund für die Kündigung darzustellen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.03, 2 AZR 36/03). Dies bedeutet, dass Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers (z.B. Diebstahl, Abrechnungsbetrug) stets dazu geeignet sind, einen wichtigen Grund für die Kündigung darzustellen, d.h. Sie als Arbeitgeber in diesen Fällen Ihren Arbeitnehmer immer fristlos kündigen dürfen.

Beachte:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bekräftigt seine Rechtsprechung, dass auch der Diebstahl bzw. die Unterschlagung geringwertiger Sachen aus dem Eigentum des Arbeitgebers an sich dazu geeignet ist, einen (wichtigen) Grund für die Kündigung darzustellen (BAG, Urteil vom 17.05.84, 2 AZR 3/83). Neben dieser Pflichtverletzungen kommen als Kündigungsgrund ferner auch die Verletzung sonstiger Rücksichtnahmepflichten in Betracht.

Beispiel:

"Rechtsradikale Äußerungen im Intranet ein no-go" Ein leitender Angestellter Ihres Unternehmens "problematisiert", ob in der Landeskultur eine mögliche Ursache für hohe Fehlzeiten türkischer Mitarbeiter liegen könnte. Ein Arbeitnehmer äußert daraufhin im Intranet, dass sich jetzt schon der "braune Mob" aus seinem Versteck wage.

Folge:

Das BAG hält die Rücksichtnahme hier nicht für verletzt (kein Personenbezug beim Vorwurf "brauner Mob") und verletze auch nicht die Menschenwürde einzelner. Die Meinungsfreiheit habe hier als Grundrecht Vorrang (vgl. BAG, Urteil vom 24.06.04, 2 AZR 63/03; BAG, Urteil vom 10.10.02, 2 AZR 472/01).

2. Schritt: Einzelfallprüfung

In einem zweiten Schritt müssen Sie als Arbeitgeber stets prüfen, ob ein bestimmtes Verhalten unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls auch ausreicht, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (Einzelfallbetrachtung).

Beispiel:

"Ultima-ratio bei wiederholten Unpünktlichkeiten" Die Kassiererin Dorothea K. ist von Ihnen wegen wiederholten Unpünktlichkeiten bereits mehrfach abgemahnt worden. Sie erscheint wiederum nicht pünktlich zur Arbeit. Sie wollen ihr fristlos kündigen.

Folge:

Wiederholte Unpünktlichkeiten eines Arbeitnehmers können an sich geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, nämlich dann, wenn sie den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Verweigerung der Arbeitspflicht erreicht haben (BAG, Urteil vom 17.03.88 in AP Nr. 99 zu § 626 BGB). Ob ein Verhalten Sie als Arbeitgeber zu einer außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 Absatz 1 BGB) berechtigt, hängt also immer von den konkreten Umstände des Einzelfalls ab. Es gibt also keine unbedingten (absoluten) wichtigen Gründe, sondern nur typische Sachverhalte, die an sich als wichtiger Grund geeignet sind (z. B.

  • strafbare Handlung
  • beharrliche Arbeitsverweigerung
  • unbefugtes Fernbleiben von der Arbeit

oder als solcher grundsätzlicher ausscheiden wie beispielsweise

  • Schlechtarbeit
  • Minderleistung.

3. Schritt: Interessenabwägung

In einem dritten Schritt müssen Sie schließlich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls noch eine Interessenabwägung vornehmen.

Beispiel:

"Der alkoholisierte Kraftfahrer" Bruno G., ein in Ihrem Speditionsunternehmen beschäftigter Kraftfahrer, ist mit seinem Privat-Pkw außerdienstlich unter Alkoholgenuss angetroffen worden und hat deshalb seinen Führerschein verloren. Sie wollen Bruno G. fristlos kündigen.

Folge:

In diesem Falle müssen Sie vor jeder außerordentlichen Beendigungskündigung prüfen, ob Sie Bruno G. auch eine zumutbare Weiterbeschäftigung auch einen freien Arbeitsplatz zu geänderten Bedingungen anbieten können (anderweitiger Einsatz). Dies bedeutet, dass Sie als Arbeitgeber in einem dritten Schritt immer noch eine Interessenabwägung vornehmen müssen. Hier müssen Sie als Arbeitgeber vor allem auch prüfen, ob dem zu Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ggf. auch zu geänderten Bedingungen zumutbar ist. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist also stets Ihr Interesse als Arbeitgeber an der Auflösung dem Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses gegenüber zu stellen. Dabei können etwa folgende Gesichtspunkte von Bedeutung sein:

  • Art und Schwere der Verfehlung
  • Wiederholungsgefahr
  • Grad des Verschuldens
  • Lebensalter des Arbeitnehmers
  • Folge der Auflösung des Arbeitsverhältnisses
  • Größe des Betriebes
  • Betriebszugehörigkeitsdauer

Wichtiger Hinweis!

Ein verhaltensbedingter wichtiger Grund setzt nach § 626 BGB nicht nur die objektive und rechtswidrige Verletzung einer Vertragspflicht, sondern darüber hinaus auch ein schuldhaftes vorwerfbares Verhalten des Arbeitnehmers voraus.

Beispiel:

"Bienenstichdiebstahl nach Firmenjubiläum" Emma G., die in Ihrem Konditoreibetrieb schon seit 25 Jahren beschäftigt ist, nimmt nach Feierabend einen Bienenstich mit nach Hause, weil sie meint, dass dieser ohnehin nicht mehr für den Verkauf am nächsten Tag vorgesehen war.

Folge:

Zwar berechtigt auch der Diebstahl geringwertiger Sachen zur außerordentlichen Kündigung. ("Bienenstichfall", BAG vom 17.5.84, 2 AZR 3 /83). Jedoch müssen Sie auch in solchen Fällen die Betriebszugehörigkeitsdauer mit in die Interessenabwägung einbeziehen (BAG, Urteil vom 13.12.84 in: AP Nr. 81 zu § 626 BGB = NJW 1985, S. 288). Als Arbeitgeber müssen Sie also immer daran denken, dass Sie nur dann erfolgreich eine außerordentliche Kündigung aussprechen können, wenn es Ihnen auch gelingt, die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung darlegen zu können.

Wichtiger Hinweis:

Die persönlichen Umstände des Gekündigten wie Lebensalter und Betriebszugehörigkeitsdauer gehören nicht zum Kündigungsgrund, sondern zur Interessenabwägung über die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Zu den persönlichen Umständen rechnen auch Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers. Allerdings sind Unterhaltspflichten bei vorsätzlichen Vermögensdelikten (z.B. Diebstahl, Unterschlagung) nicht zu beachten.

Beispiel:

"Der Kuchen für die Familie" Emma G. hat, obwohl sie wegen einem ähnlichen Fall bereits abgemahnt wurde, in Ihrem Konditoreiunternehmen einen ganzen Kuchen mit nach Hause genommen. Als Sie ihr kündigen wollen, wendet sie ihre vielzähligen Unterhaltspflichten gegenüber ihren Kindern ein.

Folge:

Unterhaltspflichten bei Vermögensdelikten stellen grundsätzlich keinen Umstand dar, der sich im Rahmen der Interessenabwägung entscheidend zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken könnte (BAG, Urteil vom 2.3.89 in AP Nr. 101 zu § 626 BGB). Dies bedeutet, dass anders als eine insoweit bisher tadelfrei zurückgelegte Beschäftigungszeit besteht bei Unterhaltspflichten regelmäßig kein konkreter Bezug zwischen dem Kündigungsgrund und den ausschließlich dem Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzurechnenden Unterhaltspflichten.

Beachte:

Die außerordentliche Kündigung muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die unausweichlich letzte (ultima-ratio) Maßnahme des Kündigenden sein. Sie kommt deshalb nur in Betracht, wenn mildere Mittel (z.B. Abmahnung, Änderungskündigung, Versetzung, ordentliche Kündigung) als unmöglich oder unzumutbar ausscheiden. Sie sind als Arbeitgeber also dazu verpflichtet, eine Prognose dahingehend zu stellen, ob der Arbeitnehmer in Zukunft seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachkommen wird (BAG, Urteil vom 22.11.96 - 2 AZR 357/95 = NZA 1997, S. 487 = AP Nr. 130 zu § 626 BGB: Zur fristlosen Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung).

Wichtiger Hinweis zum Wandel der Rechtsprechung!

Soll wegen einer Störung im Leistungsbereich fristlos gekündigt werden, so müssen Sie immer daran denken, dass in der Regel vorher eine vorherige Abmahnung erforderlich ist. Diese ist nur dann entbehrlich, wenn das Fehlverhalten den Vertrauensbereich betrifft bzw. der Arbeitnehmer deutlich macht, dass der auf gar keinen Fall gewillt ist, den arbeitsvertraglichen Pflichten gerecht zu werden. Jedoch müssen Sie bei vorsätzlichem Verhalten unbedingt noch prüfen, ob bei Ihrem Arbeitnehmer ein steuerbares Verhalten vorliegt. So wird von der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nämlich eine Abmahnung dann für erforderlich gehalten, sobald eine Wiederherstellung des Vertrauens für die Zukunft erwartet werden kann (BAG, Urteil vom 4.6.97, 2 AZR 596/96 - EzA § 626 BGB Nr. 16).

Beachte:

Bei der Frage, ob ein wichtiger Grund gegeben ist, ist stets auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung abzustellen (Beurteilungszeitpunkt).

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