Beispiel:
"Der Freiwilligkeit genug" Sie haben eine Freiwillige Betriebsvereinbarung geschlossen, in welcher Sie "Beihilfen zu Familienereignissen" als freiwillige Sozialleistung gewährt haben. Da es Ihrem Betrieb jetzt wirtschaftlich schlechter geht, wollen Sie diese Leistungen nicht mehr gewähren. Sie fragen sich, ob Sie hiervon wieder "runter" kommen.
Folge:
Betriebsvereinbarungen können also, wenn nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten vom Arbeitgeber oder vom Betriebsrat gekündigt werden (§ 77 Absatz 5 BetrVG). Dies ohne Angabe von Gründen (BAG, Urteil vom 30.08.1963 in: AP Nr. 4 zu § 57 BetrVG). Anders als im Bereich der "erzwingbaren Mitbestimmung" hat eine Kündigung im Bereich der "freiwilligen Mitbestimmung" nicht zur Konsequenz, dass die freiwillige Betriebsvereinbarung nachwirkt (BAG, Urteil vom 28.4.1988 in: EzA § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung Nr. 1 Seite 7ff). Die durch eine Freiwilligen Betriebsvereinbarung von Ihnen eingegangene Bindung besteht also nur während deren Geltungsdauer. Die Betriebsvereinbarung kann gemäß § 77 Absatz 5 BetrVG also jederzeit mit einer Frist von drei Monaten wieder gekündigt werden.
Beachte:
Dies gilt natürlich nur dann, wenn Sie "nichts anderes" vereinbart haben. Sie sollten deshalb keinesfalls Wünschen des Betriebsrats entsprechen, im Kündigungsfalle die Nachwirkung zu vereinbaren.
Anlage: Betriebsvereinbarung
Betriebsvereinbarung zwischen der Hans 0tto Theater GmbH Schiffbauergasse 11, 14467 Potsdam, Geschäftsführung und dem Betriebsrat der Hans Otto Theater GmbH Schiffbauergasse 11, 14467 Potsdam, wird folgende Betriebsvereinbarung Ober den Einsatz des Internets und E-Mail-Systems getroffen: Präambel: Diese Betriebsvereinbarung regelt Details für den Umgang mit Internet und E-Mail-System. Die getroffenen Regelungen gelten für den Bereich Internetnutzung und Nutzung des E-Mail-Systems, soweit in dieser Vereinbarung nicht abweichende Regelungen getroffen werden.
§ 1 - Internet
1. Der Zugang zum Internet wird allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sofern diese für ihre Tätigkeit einen PC benötigen, zur Verfügung gestellt. Der Internet Zugang darf grundsätzlich, soweit sich nicht aus Ziffer 2 Ausnahmen ergeben, nur zu dienstlichen Zwecken benutzt werden. 2. Eine geringfügige private Nutzung ist gestattet, dies schließt Homebanking aber das Internet nach dem HBGI Standard ein. Für etwaige finanzielle Schäden, die dem Mitarbeiter aus dem Homebanking entstehen könnten, übernimmt das Theater keine Haftung. Die private Nutzung ist allerdings nicht während der Dienstzeit, sondern nur nach dem Ende der Dienstzeit oder während der Pausen gestattet. Die private Nutzung darf nicht länger als eine halbe Stunde pro Arbeitstag andauern. 3. Das Herunterladen, das installieren von Software sowie die Nutzung von interaktiven Spielen und das Aufsuchen von Seiten mit Angeboten zum Herunterladen von Spielen sind verboten, soweit dies nicht schriftlich dienstlich angewiesen ist. 4. Es ist ferner ausdrücklich verboten, Seiten mit pornographischen, gewaltverherrlichenden oder rassistischen Inhalten sowie Seiten, die einen kriminellen Charakter haben, aufzurufen, soweit dies nicht dienstlich notwendig ist. Dies gilt auch für kostenpflichtige Seiten sowie Seiten mit Hacker-Instrumenten. Viren und anderen zu Angriffen auf die Systeme und die Netzsicherheit geeigneten Softwareinstrumenten. 5. Bei Verstößen gegen diese Verbote muss der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.
§ 2 - E-Mail-Nutzung
1. Die E-Mail wird allgemein zur Verbesserung der internen und externen Kommunikation zur betrieblichen Nutzung Ober das Internet zur Verfügung gestellt.
2. Absender und Empfänger der Mails sind allein für deren weitere Verwendung verantwortlich; sie entscheiden über Speicherung, Löschung und Weiterleitung. Vom System wird den Benutzern ein ausreichender Speicherraum zur Verfügung gestellt.
3. Jeder Inhaber eines E-Mail Accounts hat im Falle seiner Abwesenheit dafür Sorge zu tragen, dass während der Dauer der Abwesenheit eine Abwesenheitsinformation eingerichtet ist.
4. Für die Versendung vertraulicher Informationen innerhalb des Unternehmens wird die Möglichkeit verschlüsselter Mail-Übertragung mit elektronischer Signatur zur Verfügung gestellt.
5. Es ist nicht gestattet, über Mail Nachrichten privaten Inhaltes in größerem Umfang zu versenden. Dies betrifft sowohl die Anzahl der Nachrichten, als auch den Umfang von Dateianhängen.
6. Es dürfen ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung und Abgabe der Haftungsfreizeichnungserklärung des Empfängers keine vertraulichen Daten (z. B. Berichte und Prüfungsunterlagen) aber das Internet versandt werden.
7. Vertrauliche Informationen an Geschäftspartner sollten in verschlüsselten Dateien versendet werden. Dafür stellt das Unternehmen in der Standardausrüstung eines jeden PC 's ein Verschlüsselungsprogramm zur Verfügung.
8. Beim Versand von zeitkritischen, d. h. eilbedürftigen oder fristgebundenen dienstlichen Informationen muss mit dem Adressaten eine telefonische Empfangsbestätigung o. ä. vereinbart werden.
9. Es gelten im übrigen für den Versand von E-Mai/s an Geschäftspartner über das Internet, die nicht als trivial angesehen werden, die gleichen Regeln wie für die schriftliche Korrespondenz bzw. den Versand von Telefaxen. Kopien müssen in Papierform in der Akte abgelegt werden.
10. Es ist grundsätzlich untersagt, sich unter der Theater-Internet-Adresse in InternetMaiIing-Listen, News-Groups oder Websites einzutragen, da dies zum Zusammenbruch des Notes-Systems führen kann. Begründete Ausnahmen hierzu bedürfen der vorherigen Zustimmung des jeweils zuständigen Administrators.
§ 3 - Protokollierung
1. Die Internet-Nutzung und E-Mail-Nutzung wird protokolliert 2. Das Protokoll wird ausschließlich zu Zwecken der
- Abrechnung für die Internet-Nutzung;
- Fehleranalyse - und -korrektur
- zur Gewährleistung der Systemsicherheit
- zur Kontrolle etwaiger Missbräuche
verwendet. Der Zugriff auf diese Daten ist auf die mit der Netzbetreuung und mit Fragen der Systemsicherung betraute Person beschränkt. Diese muss sich schriftlich zur Verschwiegenheit verpflichtet haben, insbesondere für die Daten des Betriebesrates.
§ 4 - Überprüfung von Missbrauch
1. Die Einsicht in die Protokolldaten erfolgt im Falle des Verdachts auf missbräuchliche oder sicherheitsgefährdende Nutzung des Internet-Zuganges oder der E-Mail-Systeme. Dies sollte unter Hinzuziehung eines Betriebsratsmitgliedes erfolgen..
2. Im Falle des Missbrauchsverdachts wird der Benutzer auf diesen Verdacht hingewiesen und zu einer Erklärung aufgefordert. Findet ein Gespräch statt, in dem dem betroffenen Benutzer sein Zugriffs verhalten vorgehalten werden soll, so wird der Benutzer darauf hingewiesen, dass er ein Mitglied des Betriebsrates zu dem Gespräch hinzuziehen kann. Andernfalls sind arbeitsrechtliche Konsequenzen nach § 1, Absatz 5 ausgeschlossen. Sollte der betroffene Benutzer es selbst ablehnen, dass ein Betriebsratsmitglied an dem Gespräch teilnimmt, sind arbeitsrechtliche Konsequenzen nach § 1, Absatz 5 möglich.
§ 5 Inkrafttreten
Diese Betriebsvereinbarung gilt mit Wirkung vom 01.01.2008.
§ 6 Kündigungsfrist
Diese Betriebsvereinbarung kann beiderseits mit einer Frist von 6 Monaten zum Jahresende gekündigt werden.
§ 7 Nachwirkungsvereinbarung
Es besteht Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien, sofern nicht § 77 (6) BetrVG gilt, dass für den Fall der Kündigung dieser Betriebsvereinbarung, diese solange fortgilt, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird, jedoch nicht lt3nger als bis 6 Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam geworden wäre.
Checkliste:
1. Haben Sie gewusst, dass in bestimmten sozialen Angelegenheiten die Zustimmung des Betriebsrats nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Maßnahme ist?
Falls Nein, sollten Sie daran denken, dass bestimmte Maßnahmen nicht erzwingbar und damit "freiwillig" sind.
2. Haben Sie daran gedacht, dass Ihnen im Bereich dieser "freiwilligen Mitbestimmung" eine gesetzliche Rechtsetzungsbefugnis eingeräumt wurde?
Falls Ja, sollten Sie von der betriebsverfassungsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeit in § 88 BetrVG unbedingt Gebrauch machen, wenn sich dies für Sie lohnt.
3. Wussten Sie, dass Sie sich auf solche Freiwilligen Betriebsvereinbarungen nicht einlassen müssen?
Falls Nein, sollten Sie nicht vergessen, dass Sie Verhandlungen auch jederzeit wieder "scheitern" lassen können und die geplanten Maßnahmen allein ordnen können.
4. Haben Sie gewusst, dass Ihr Betriebsrat im Bereich der "freiwilligen Mitbestimmung" kein Initiativrecht hat?
Falls Ja, haben Sie gut daran getan, den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu unterlassen.
5. Haben Sie bedacht, dass der Umfang der Regelungsbefugnis nicht uneingeschränkt ist?
Falls Nein, sollten Sie unbedingt prüfen, ob die von Ihnen geplante Maßnahme unter die gesetzliche Regelungssperre in § 77 Absatz 3 Satz 1 BetrVG fällt.
6. Haben Sie vergessen, dass das "Prinzip der Freiwilligkeit" grundsätzlich nur in bestimmten sozialen Angelegenheiten gilt und in vielen personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten eine Regelung ausgeschlossen ist?
Wenn Ja, sollten Sie auch hier prüfen, ob in der von Ihnen beabsichtigten personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten Ihre "Regelungsbefugnis" beschränkt ist.
7. Wussten Sie, dass die Geltungsdauer einer Freiwilligen Betriebsvereinbarung von Ihrem Willen abhängig ist?
Wenn Nein, sollten Sie daran denken, dass Sie diese jederzeit wieder kündigen können.
8. Wussten Sie, dass beendete Freiwillige Betriebsvereinbarungen nicht nachwirken?
Falls Nein, sollten Sie nicht vergessen, dass diese durch Kündigung ihre Bindung verlieren.