Beispiel:
"Mitregelung nicht grenzenlos" Sie wollen mit Ihrem Betriebsrat die Altersgrenze in Ihrem Betrieb auf 67 Jahre festlegen. Der in ihrem Betrieb übliche Tarifvertrag sieht aber eine Altersgrenze von 65 Jahren vor. Folge: Zwar handelt es sich bei der Regelung der Altersgrenze um einen kollektive Regelung, die einer Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG zugänglich ist. Jedoch ist die Regelungsbefugnis hier wegen einer bestehenden tarifvertraglichen Regelung aufgrund § 77 Absatz 3 Satz 1 BetrVG ausgeschlossen. Sie müssen als Arbeitgeber also auch immer daran denken, dass der Umfang Ihrer Regelungsbefugnis bestimmte Sachverhalte (geplante Maßnahmen) durch eine Betriebsvereinbarung zu ordnen nicht unbegrenzt ist ("Regelungssperre"). So können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (§ 77 Absatz 3 Satz 1 BetrVG). Jedoch greift die Regelungssperre des § 77 Absatz 3 Satz 1 BetrVG dann ausnahmsweise nicht, wenn ein Tarifvertrag ausdrücklich ergänzende Betriebsvereinbarungen erlaubt. Dieser Grundsatz ist im Gesetz, insbesondere auch ausdrücklich in § 77 Absatz 3 Satz 2 BetrVG, verankert (sog. "Öffnungsklausel").
Beispiel:
"Arbeitszeitverlängerungen ausnahmsweise erlaubt" In einem Tarifvertrag sieht eine Öffnungsklausel vor, dass mit dem Betriebsrat tarifvertraglich abweichende Arbeitszeitregelungen getroffen werden dürfen. Sie sehen hier "zusätzliche Spielräume", Arbeitszeitverlängerungen durch eine Freiwillige Betriebsvereinbarung zu regeln.
Folge:
Je nach Inhalt der Öffnungsklausel können Betriebsvereinbarungen geschlossen werden, die auch ungünstiger als die tarifliche Regelung sein dürfen (vgl. BAG, Urteil vom 11.7.1995 in AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Versicherungsgewerbe). Hier müssen Sie als Arbeitgeber also nicht befürchten, dass die Betriebsvereinbarungen gegen § 77 Abs. 3 Satz 1BetrVG verstößt und damit nichtig ist. Dies bedeutet, dass Sie als Arbeitgeber also nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§77 Absatz 3 Satz 2 BetrVG) unter bestimmten Voraussetzungen (Vorliegen einer tariflichen Öffnungsklausel) von tariflichen Regelungen über die Dauer der Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarungen abweichen dürfen.
Arbeitgeber-Tipp:
Eine Freiwillige Betriebsvereinbarung kann für Sie aber auch dann von Vorteil sein, wenn das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in Arbeitszeitfragen ausdrücklich gesetzliche Beschränkungen enthält. Hier lässt es das ArbZG nämlich jetzt ausnahmsweise zu, dass die Betriebspartner von der gesetzlichen Regelung über die Dauer der Arbeitszeit durch eine Freiwillige Betriebsvereinbarung abweichen können und eine entsprechende "günstigere" tarifliche Regelung im Betrieb übernehmen können.
Beachte:
Eine umfassende Zuständigkeit der Betriebspartner, Sachverhalte durch eine Freiwillige Betriebsvereinbarung zu regeln, gilt grundsätzlich nur im Bereich der sozialen Angelegenheiten. Freiwillige Betriebsvereinbarungen sind aber auch außerhalb des Bereichs der sozialen Angelegenheiten erlaubt, soweit auch hier keine entgegenstehenden gesetzlichen Regelungen existieren. Dies ist vor allem bei personellen (§§ 92 ff BetrVG) sowie wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 106 ff BetrVG) der Fall. Maßgebend dafür, inwieweit Betriebsvereinbarungen hierbei außerhalb des Bereichs der sozialen Angelegenheiten gestattet sind, ist hierbei die gesetzliche Zuordnung.
Beispiel:
"Soziale Richtlinien erlaubt" Aufgrund einer Umstrukturierung beabsichtigten Sie, in Ihrem Betrieb betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Um hier möglichst "rechtssicher" vorzugehen, beabsichtigen Sie im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Sozialauswahl (§ 1 Absatz 3 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz(KSchG), zuvor mit Ihrem Betriebsrat allgemeine "Kündigungsrichtlinien zu vereinbaren.
Folge:
Das KSchG erlaubt es Ihnen als Arbeitgeber hier im Bereich der personellen Einzelmaßnahmen bei der Sozialauswahl ausdrücklich mit dem Betriebsrat allgemeine Kündigungsrichtlinien zu vereinbaren (§ 1 Absatz 4 KSchG i.V.m. § 95 Absatz 1 Satz 1 BetrVG). Dies unabhängig davon, dass dem Betriebsrat in § 102 BetrVG bei Kündigungen stets ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Diese Vereinbarung ist freiwillig und setzt das Einverständnis beider Betriebspartner voraus. In diesem gesetzlichen Rahmen können also auch außerhalb der sozialen Angelegenheiten alle formellen und materiellen Arbeitsbedingungen ohne Beschränkung auf das Einzelarbeitsverhältnis Gegenstand einer Freiwilligen Betriebsvereinbarung sein und ist Ihre "Rechtssetzungsmacht" nicht eingegrenzt.
Beachte:
Bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen ("freiwillige Mitbestimmung") gilt im Verhältnis zwischen diesen und einzelvertraglicher Vereinbarung das Günstigkeitsprinzip (vgl. Urteil des BAG vom 07.11.1989 in AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972 = DB 1989, S. 1724 = DB 1990, S. 1849 = NZA 1990, S. 816). Durch vertragliche Abrede kann daher nur zugunsten des Arbeitnehmers von den Regelungen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung abgewichen werden. Umgekehrt kann durch Betriebsvereinbarung nicht in einzelvertragliche Rechte der Arbeitnehmer eingegriffen werden.