Beispiel:
Keine Wahl bei Auswahlrichtlinien Infolge Umstrukturierungsmaßnahmen in Ihrem Betrieb wollen Sie betriebsbedingt kündigen und streben hierfür Kündigungsrichtlinien zum Zwecke der Sozialauswahl an. Nach ergebnislosem Verlauf der Verhandlungen hierüber schlägt der Betriebsrat vor, Herrn Prof. D. zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zu bestellen und mit Ihnen eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Dies wird von Ihnen abgelehnt, da Sie weiterhin einen Arbeitsrichter als Vorsitzenden bevorzugen.
Folge:
Kollektivrechtliche Richtlinien zur Sozialauswahl bei Kündigungen bedürfen nach § 1 Absatz 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) der Zustimmung des Betriebsrates (§ 95 Absatz 1 Satz 1 BetrVG), so dass Sie als Arbeitgeber im Falle einer Nichteinigung die Einigungsstelle anrufen müssen. Kommt in dieser mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit bereits keine Einigung über die Frage zustande, mit welchem Vorsitzenden eine solche Einigungsstelle zu bilden ist, muss das Gericht über die Person des Vorsitzenden entscheiden (§ 98 ArbGG). Die Einigungsstelle besteht neben den Beisitzern noch aus dem Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen (§76 Absatz 2 Satz 1 BetrVG).
Da im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung die eine Seite die Einigungsstelle auch gegen den Willen der anderen anrufen kann, bedurfte es daher einer gesetzlichen Regelung für den Fall, dass sich die Betriebspartner nicht auf die Zusammensetzung der Einigungsstelle einigen können.
Bei Nichteinigung bestimmt das Arbeitsgericht auf Antrag eines Betriebspartners den Vorsitzenden und entscheidet, notfalls auch die Zahl der Beisitzer. Für diese Entscheidungen sieht § 98 ArbGG ein besonderes vereinfachtes Verfahren vor.
Beispiel:
Die widerwillige Zusammensetzung Aus Anlass einer Werkschließung sind die Verhandlungen mit Ihrem Betriebsrat über den Versuch eines Interessenausgleichs sowie Sozialplans gescheitert. Sie können Sie sich zwar über die Anzahl der Beisitzer, nicht jedoch über den Vorsitzenden einigen.
Folge:
Falls Sie sich in dieser mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit (§ 112, Absatz 3 und Absatz 4 BetrVG) bei der Zusammensetzung der Einigungsstelle nicht auf den Vorsitzenden einigen können, muss dieser auf Antrag einer Seite vom Arbeitsgericht bestellt werden.
Beachte:
Im Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht zulässig (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, § 98 Rn 21; Arbeitsgericht Ludwigshafen vom 20.11.1996 in NZA 1997, S. 172).
Arbeitgeber-Tipp:
Wenn Sie als Arbeitgeber im Bestellungsverfahren (§ 98 ArbGG) einen bestimmten "Wunschkandidaten" als Vorsitzenden benennen wollen, so müssen Sie daran denken, dass das angerufene Arbeitsgericht nicht an Parteianträge gebunden ist. Das Arbeitsgericht kann also nämlich auch eine andere als die von Ihnen vorgeschlagene Person zum Vorsitzenden der Einigungsstelle benennen, wenn hierzu rechtliches Gehör gewährt wurde (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 16.8.1976 - 3 TaBV 43/76 - LAGE § 76 BetrVG 1972 Nr. 6; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbG 3. Auflage § 98 Rn 23).
Wenn Sie sich als Arbeitgeber also auf eine bestimmte Person als Einigungsstellenvorsitzender "fixieren", dann gehen Sie bei namentlicher Nennung dieser Person im Antrag das Risiko ein, dass Ihr Antrag möglicherweise wegen fehlender Eignung des von Ihnen beantragten Vorsitzenden abgewiesen wird. Zwecks Vermeidung von "Überraschungsentscheidungen" sollten Sie daher ggf. durch Hilfsanträge andere Kandidaten benennen. So bleiben Sie zumindest noch "Herr des Verfahrens" und können die Auswahlentscheidung des Gerichts noch beeinflussen.
Arbeitgeber-Tipp:
Sie sollten in Ihrem Antrag unbedingt auch beachten, dass der von Ihnen vorgeschlagene Vorsitzende geeignet, d.h. ausreichend sachkundig ist.
Beispiel:
Der überforderte Verwaltungsrichter Sie schlagen als Arbeitgeber in Lohnbewertungsfragen und damit bei einer speziellen Entgeltmaterie einen Richter aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit als Vorsitzenden vor. Das Gericht lehnt die vorgeschlagene Person ab.
Folge:
Das Gericht darf den von Ihnen als Vorsitzenden der Einigungsstelle vorgeschlagenen ablehnen, weil dieser als Verwaltungsrichter nicht die Gewähr für die erforderliche Eignung (Sachkunde) aufweist. Denken Sie bei Ihrem Vorschlag ferner daran, dass die von Ihnen als Vorsitzender vorgeschlagene Person Gewähr für die Unparteilichkeit des Vorsitzenden bietet.
Beispiel:
Der verflixte arbeitsgerichtliche Geschäftsverteilungsplan Der Betriebsrat eines Unternehmens mit Sitz in H. schlägt einen ortsansässigen Richter des Arbeitsgerichts zum Vorsitzenden der Einigungsstelle vor. Das angerufene Arbeitsgericht lehnt den Antrag mit der Begründung ab, dass der vorgeschlagene Arbeitsrichter später mit der Überprüfung der Einigungsstelle befasst werden könnte.
Folge:
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt, da nach § 98 Absatz 1 Satz 4 ArbGG ein Richter zum Vorsitzenden der Einigungsstelle nur berufen werden darf, wenn aufgrund des Geschäftsverteilungsplanes ausgeschlossen ist, dass er später mit der Überprüfung, der Auslegung oder der Anwendung des Spruchs der Einigungsstelle befasst wird. Sie sollten als Arbeitgeber daher bei Ihrem Vorschlag stets beachten, dass es mit einem großen Risiko verbunden ist, die Bestellung eines Richters zu beantragen, in dessen Gerichtsbezirk sich später Streitigkeiten aus dem Einigungsstellenspruch ergeben können.
Arbeitgeber-Tipp:
Sofern der Geschäftsverteilungsplan nicht die Zuständigkeit der Kammern nach den Arbeitgeberbetrieben bestimmt, sollten Sie daher als Arbeitgeber auf den Vorschlag von Richtern aus Ihrem Gerichtsbezirk verzichten.
2. Das Verfahren vor der Einigungsstelle: Mit der richtigen Strategie zum Erfolg
Gerade im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung streiten die Betriebspartner in der Regel nicht in erster Linie um die Person des Vorsitzenden der Einigungsstelle oder um die Zahl der Beisitzer, sondern um die Rechtsfrage, ob in der fraglichen Angelegenheit Ihr Betriebsrat überhaupt ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat, also mitreden darf.
Beispiel:
"Zuständigkeit Fehlanzeige" Sie wollen Ihr Presseunternehmen mit einem anderen Medienunternehmen fusionieren. Ihr Betriebsrat ist dagegen. Sie beabsichtigen, sofort Sozialplanverhandlungen aufzunehmen und weigern sich, mit Ihrem Betriebsrat Interessenausgleichsverhandlungen aufzunehmen. Ihr Betriebsrat erzwingt die Errichtung einer Einigungsstelle.
Folge:
Da es sich bei Ihrem Medienunternehmen um einen Tendenzbetriebes gem. § 118 BetrVG handelt, ist Rechtsfolge, dass Sie mit Ihrem Betriebsrat kein Interessenausgleichsverfahren durchführen müssen (§§ 118 Absatz 1 Satz 2, 112 BetrVG), d.h. dieser kein Mitbestimmungsrecht hat. Da Ihr Betriebsrat hier also nicht mitreden darf, sind Sie in Ihrer unternehmerischen Entscheidung frei und sollten im Einigungsstellenverfahren als erstes dessen Zuständigkeit rügen.
Arbeitgeber-Tipp:
Die Frage der Zuständigkeit der Einigungsstelle ist eine wichtige Vorfrage. Prüfen Sie daher stets sehr genau, ob Ihr Betriebsrat überhaupt mitbestimmen darf. Handelt es sich um keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme (Fall der erzwingbaren Mitbestimmung), können Sie nämlich ohne Einigungsstelle "frei" entscheiden und die angerufene Einigungsstelle wäre dann unzuständig. Allerdings sollten Sie diese Frage nur dann ansprechen, wenn Ihre Rüge auch Aussicht auf Erfolg hat.
Beispiel:
"Die falsche Strategie zum unausweichlichen Sozialplan" Aus Anlass der Verlegung Ihres gesamten Betriebes vom Norden in den Süden der Stadt B. wollen Sie einen für Sie möglichst Sie günstigen Sozialplan erreichen. Sie argumentieren, dass es sich wegen der Verbesserung der Verkehrsanbindung um keine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung handele und die Einigungsstelle daher unzuständig sei. Dem widerspricht Ihr Betriebsrat, der von einer wesentlichen örtlichen Veränderung und damit von einer sozialplanpflichtigen und damit mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit ausgeht.
Folge:
Da es sich um die Verlegung des gesamten Betriebes handelt, liegt eine Betriebsänderung gem. § 111 Absatz 1 Satz 3 Ziff. 3 BetrVG vor. Im Falle der Nichteinigung über den Sozialplan muss die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans entscheiden (§ 112 Absatz 4 Satz 1 BetrVG). Falls Sie als Arbeitgeber bei dieser weiteren Auffassung bleiben wollen, haben Sie im Einigungsstellenverfahren "schlechte Karten". Als Arbeitgeber sollten Sie aber als erstes gleichwohl immer die Frage der Zuständigkeit (Fall der erzwingbaren Mitbestimmung) prüfen. Da letztlich im Einigungsstellenverfahren die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gibt (§ 76 Absatz 3 Satz 3 BetrVG), sollten Sie diese "Karte der Unzuständigkeit" also nur dann ausspielen, wenn Sie sich Ihrer Sache sicher sind.
Beispiel:
"Der unzuständige Betriebsrat" Ihr Unternehmen hat jeweils einen Betrieb in F., H. und der Stadt B. Aus Anlass der Verlegung des Betriebes von H. nach B. hat der Betriebsrat in H. zwecks Sozialplanverhandlungen ein Einigungsstellenverfahren eingeleitet. Sie rügen in der ersten Verhandlungsrunde, dass nicht der örtliche Betriebsrat in H., sondern der Gesamtbetriebsrat des Unternehmens zuständig ist.
Folge:
Es handelt sich hier um eine Frage, in der nur eine einheitliche Regelung in Betracht kommt, mithin die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründet ist. Die Zuständigkeit der Einigungsstelle zu rügen, war also ein "guter Schachzug".
Beachte:
Kommt im Einigungsstellenverfahrens nach erster Beratung keine Einigung zustande, müssen Sie immer daran denken, dass sich der Vorsitzende bei der ersten Abstimmung über die Anträge zunächst der Stimme zu enthalten hat (§ 76 Absatz 3 Satz 2 BetrVG). Wichtig ist nämlich, dass erst bei der zweiten Abstimmung nach erneuter mündlicher Beratung dann die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gibt. Der Vorsitzende darf sich nämlich bei der zweiten Abstimmung der Stimme nicht enthalten. Seine Stimme soll die regelmäßig bestehende Patt-Situation in der Einigungsstelle auflösen.
Beachte:
Von dem Erfordernis der zweiten Beratung kann nur dann abgesehen werden, wenn dies alle Mitglieder der Einigungsstelle wünschen (BAG Urteil vom 30.1.1990, - 1 ABR 2/89 - AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972, Lohngestaltung, in: NZA 1990 S. 571).
Arbeitgeber-Tipp:
Die "kluge" Strategie als Arbeitgeber besteht weiter darin, nur solche Vorschläge zu unterbreiten, bei denen Sie annehmen können, dass diese letztlich auch beim Vorsitzenden auf Akzeptanz stoßen.
Beispiel:
Der richtige Schachzug gewinnt den Vorsitzenden Im Zusammenhang mit der Fusion Ihrer beiden Betriebe in S. und H. möchte der Betriebsrat im Sozialplan nicht nur die infolge erhöhter Fahrtkosten entstehenden finanziellen Nachteile ausgeglichen haben, sondern darüber hinaus noch die Einrichtung einer neuen Kantine in S. erreichen. Der Vorsitzende hat bereits in der ersten Sitzung und Beratung die Ansicht geäußert, dass jedenfalls die Kantinenforderung zweifelhaft sei.
Folge:
Sie sollten als Arbeitgeber dem Betriebsrat in dem Punkt erhöhter Fahrtkosten entgegenkommen und versuchen, hier einen realistischen Geldbetrag anzubieten. In diesem Fall besteht die Chance, dass der Vorsitzende bei der zweiten Abstimmung mit Ihnen abstimmt und Sie Ihre Verhandlungsziele erreichen. Sie müssen als Arbeitgeber also immer daran denken, dass der Spruch der Einigungsstelle in seiner Gesamtheit von der Mehrheit der Einigungsstellenmitglieder getragen werden muss und demnach ohne den Vorsitzenden "nichts geht".
Beachte:
Hierbei ist wichtig, dass auch stets eine Schlussabstimmung über den gesamten Spruch erfolgt (BAG, Urteil vom 18.4.1989 in AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972, Arbeitszeit = DB 1989, S. 1926 = NZA 1989, S. 807)
Muster:
Anträge im Einigungsstellenverfahren
An die Einigungsstelle _________________
Antrag im Einigungsstellenverfahren mit den Beteiligen 1. Betriebsrat der Firma ___________, vertreten durch den Vorsitzenden ________________ - Beteiligter zu Ziff. 1 - 2. Firma ________________, - Beteiligte zu Ziff. 2 - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte _____________ Namens und in Vollmacht der Beteiligten zu Ziff. 2 beantragen wir: 1. Alternative: Feststellung der Unzuständigkeit der Einigungsstelle: Es wird festgestellt, dass die Einigungsstelle hinsichtlich der Neuregelung der ________________ unzuständig ist. 2. Alternative: Sachentscheidung der Einigungsstelle Die Einigungsstelle möge folgende Betriebsvereinbarung beschließen: _____________ (Entwurf der Betriebsvereinbarung). Begründung: ................................... Rechtsanwalt