Bearbeitung von Theaterstücken: Abwägung im Einzelfall

Die rechtliche Beurteilung, ob eine bestimmte Aufführung mit Autorenrechten in Konflikt getreten ist, insbesondere eine Bearbeitung vorliegt, die nur mit Einwilligung des Autors bzw. des Verlags möglich ist, ist eine schwierige Rechtsfrage. Hierbei ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Bearbeitung von Bühnenwerken ein strenger Maßstab angelegt wird. Dementsprechend werden reine Textrevisionen oder Sprachglättungen sowie technisch bedingte und jedem Regisseur ohne weiteres geläufige Änderungen als eine ausschließlich handwerksmäßige Betätigung bei der Wiedergabe des Originalwerkes angesehen und demzufolge nicht als urheberrechtsschutzfähige Bearbeitung anerkannt.

Stellt die Inszenierung eine eigene schöpferische Leistung des Theaterregisseurs dar, ist sie mit dem Begriff der Interpretation dahingehend nicht mehr zu fassen. Hier ist von einer nach § 3 UrhRG schutzfähigen Bearbeitung auszugehen . Falls ein Bühnenregisseur als Bearbeiter gem. § 3 UrhRG auftritt, indem er beispielsweise eine eigene Schöpfung erarbeitet hat und hierbei die Textfassung des Bühnenautors umgestaltet hat, so darf dies aber nur mit Einwilligung des Urhebers bzw. des Verlages erfolgen.

 

Beispiel:

Aufführung des Hauptmanndramas "Die Weber". In dieser rechtlichen Auseinandersetzung ging es um Textänderungen und Textergänzungen, die im Rahmen der Regie erfolgt sind. Wie gezeigt sind gemäß § 39 Abs. 2 UrhRG Änderungen des Werkes nur dann zulässig, wenn der Urheber zu diesen seine Einwilligung nach Treu und Glauben nicht versagen kann. Die sich daraus ergebenden Grenzen und Möglichkeiten sind fließend. Jedenfalls muss der Urheber eines Bühnenwerks auf die Realitäten des aufführenden Theaters (räumliche Verhältnisse, Personal, Etat etc.) Rücksicht nehmen. Gerade bei älteren Werken ist wegen des Wandels des Publikumsgeschmacks auch ohne besondere Vereinbarung dem Regisseur ein weitgehender Modernisierungsspielraum einzuräumen. Dabei darf das Werk aber nicht in seinen wesentlichen Zügen verändert werden. Eine solche Veränderung bedarf regelmäßig der Einwilligung des Urhebers bzw. des Bühnenverlags.

Beispiel:

Die Hinzufügung komplett neuer, umfangreicher Texte, die keinen inhaltlichen Bezug zu der von dem Originalwerk erzählten Geschichte haben, überschreiten dabei regelmäßig die durch Treu und Glauben gezogenen Grenzen. Eine solche Überschreitung hat im streitigen Fall "Die Weber" vorgelegen. Insofern war eine Einwilligung des Urhebers bzw. des Bühnenverlags erforderlich.

Beachte:

Ein maßgebendes Kriterium dafür, ob bei der Änderung eines Werkes die Grenze von Treu und Glauben überschritten wird und insofern eine Zustimmung des Autors oder Verlages erforderlich wird, ist ob Veränderungen des Werkes die Intention des Autors verfälschen. Solche Veränderungen sind im Rahmen von Treu und Glauben nicht zulässig. Dies gilt für Textstriche als auch für anderweitige Veränderungen. Bei Ergänzungen des Werkes wird eine sehr große Rolle spielen, inwieweit diese Veränderungen erkennbar sind. Um Unterlassungsansprüche (§ 97 Absatz 1 UrhG) des Autors bzw. Bühnenverlags zu vermeiden, ist daher in Zweifelsfällen zu empfehlen, den Verlag über die Hinzufügung längerer Texte zu informieren und zur Zustimmung vorzulegen, um rechtliche Risiken auszuschließen. Verweigert der Urheberberechtigte (Verlag/Autor) - aus welchen Gründen auch immer - die Zustimmung zu einer solchen Bearbeitung, so hat der Aufführungsberechtigte (Theater) die Entscheidung zu achten. Regelmäßig überschreitet aber die Hinzufügung komplett neuer, umfangreicher Texte, die keinen inhaltlichen Bezug zu der von dem Originalwerk erzählten Geschichte haben, die durch Treu und Glauben gezogenen Grenzen.

Beispiel:

Die Bühnenfassung von "Die Weber" enthält Tötungsphantasien des hierin auftretenden Chors gegenüber Mitarbeitern des Arbeitsamts (" …man erschlägt, was da ist/man gießt dann Benzin hin/ und das Arbeitsamt brennt in hellen Flammen…") und der namentlich benannten Fernsehjournalistin("…wen ich sehr schnell erschießen würde/das wäre Frau Christiansen/weil sie sehr oft die Chance gehabt hätte…"). Hier hat das Gericht eine wesentliche Änderung der Grundaussagen des Originalwerks und damit ein Überschreiten des Bearbeitungsrechts angenommen. Die Aussagen berührten als Stilmittel den Grenzbereich des Skandalösen und liefen auch der grundlegenden Tendenz des Originalwerks zuwider. Künstlerisches Anliegen und Kunstfreiheit rechtfertigten keine andere Wertung. Bei der Modernisierung sog. "klassischer" Bühnenwerke ist aber zu beachten, dass die zu dem Bühnendrama "Die Weber" getroffenen Feststellungen ganz "auf der Linie" der höchstrichterlichen Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs liegen. Allerdings kann im Einzelfall die Frage, ob der Urheber noch lebt oder verstorben ist bzw. seit wie vielen Jahren er verstorben ist, bei der Abwägung im Rahmen von Treu und Glauben (§ 39 Absatz 2 UrhG) durchaus Bedeutung haben. Die Schwelle der Unzulässigkeit ist bei lebenden Autoren deutlich niedriger als bei verstorbenen Autoren. Dies kann etwa der Fall sein bei einem Autor der schon 60 Jahre verstorben ist. Auch ist zu bedenken, ob Texte verstorbener Autoren relativ bekannt sind und dadurch die Gefahr besteht, dass durch ihre Veränderung ein falscher Eindruck entsteht, dadurch gemindert wird. Sie müssen immer daran denken, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht, das im Rahmen von Treu und Glauben eine wichtige Rolle spielt, sich im Laufe der Jahrzehnte nach dem Tode des Autors im Bezug zu der an den Rechten der an der Aufführung eines Theaterstückes Beteiligten (Theater/Regisseur) abschwächt.

Beachte:

Aus Gründen der Rechtssicherheit sollten Sie aber in Zweifelsfällen den Verlag regelmäßig über die "Inszenierungsidee" unterrichten. Hierbei ist wichtig, dass dieser in alle Textänderungen zugestimmt hat. Soweit der Verlag sich mit der Inszenierungsidee einverstanden erklärt hat, ist daher Schriftform zu empfehlen. Erforderlich ist auch, dass die Informationen konkret genug sind, damit eine Beurteilung der "Inszenierungsidee" durch den Verlag im Rahmen der meistens nur mündlich geführten Gespräche möglich ist. Eine definitive und detaillierte Angabe des ergänzten Textes ist hierbei von Vorteil. Die Einwilligung in eine nur abstrakt umschriebene, im Einzelnen noch nicht konkretisierte Bearbeitung, ist nämlich nicht schrankenlos. Sie deckt stets nicht Stilmittel und Inhalte, die (wie bei der Inszenierung "Der Weber") den Grenzbereich des "Skandalösen" berühren und nicht mit der Tendenz des Originalwerks in Einklang stehen. Wenn auch bei Bühnenaufführungen älterer Bühnenwerke ( z.B. Operetten) wegen des Wandels des Zeitgeschmacks dem Regisseur ein weiter Spielraum für Werkänderungen einzuräumen ist, so ist ihm doch eine eigenmächtige Veränderung (Verfälschung) der Charaktere der Hauptfiguren, die Streichung wesentlicher Musiknummern, die Einfügung mehrerer Musikstücke anderer Komponisten nicht erlaubt. Sie müssen also immer beachten, dass § 39 Absatz 2 UrhG urheberrechtlich einen Ausnahmetatbestand darstellt.

Checkliste: Bearbeitung von Theaterstücken

  • Haben Sie geprüft, dass sich Änderungen in Bühnenfassungen immer im Rahmen des § 39 Absatz 2 UrhG (Treu und Glauben) bewegen müssen?
  • Haben Sie im Rahmen des Überprüfungsmaßstabes Treu und Glauben festgestellt, ob das Werk noch in seinen wesentlichen Zügen erkennbar bleibt, insbesondere das Theaterstück als zulässige Interpretation der Textvorlage angesehen werden kann ?
  • Haben Sie daran gedacht, dass es weniger auf die Details als auf eine Gesamtschau der Aufführung ankommt?
  • Haben Sie beachtet, dass bei Meinungsverschiedenheiten über den Wesensgehalt eines Werks und die Angemessenheit der Inszenierung immer die Auffassung des Urhebers entscheidend ist?
  • Haben Sie daran gedacht, dass in "Zweifelsfällen" der Autor bzw. der Verlag zu informieren und immer dessen Einwilligung einzuholen ist?
  • Waren die an den Verlag gegebenen Informationen auch konkret?
  • Lag eine nur abstrakte Einwilligung des Verlags vor und kannte der Verlag die Inszenierungsidee genau?

1. Bearbeitung von Theaterstücken: Die Inszenierung als eigene Bearbeitung im Sinne von § 3 UrhRG

Sie müssen immer beachten, dass Bearbeitungen eines Werkes (Originalwerk) gemäß § 3 UrhG unabhängig von dem Urheberrecht an dem bearbeiteten Werk als selbständiges Werk geschützt sind, sofern sie als persönliche geistige Schöpfung des Bearbeiters angesehen werden können.

Beispiel:

Ein Bühnenregisseur tritt immer dann als Bearbeiter im Sinne von § 3 UrhG auf, wenn er ein Werk sprachlich oder dramaturgisch umgestaltet und eine eigene Textfassung erarbeitet. Diese genießt aber nur dann urheberrechtlichen Schutz, wenn sie zum einen eine persönliche geistige Schöpfung des Regisseurs darstellt und zum anderen eine entsprechende Individualität aufweist. "Bearbeitung" ist dabei - nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung - jeder schöpferische Eingriff in das Werk eines anderen . Eine "Bearbeitung" stellt eine von einem anderen Werk abhängige Schöpfung dar, die wesentliche Züge des Originalwerkes übernimmt und dem Originalwerk dient. Die Abhängigkeit des Bearbeiterurheberrechts besteht darin, dass die Verwertung der Bearbeitung die Benutzung des Originalwerks notwendig voraussetzt. Sie müssen als "Theatermacher" aber immer beachten, dass Sie zur Verwertung der bearbeiteten Fassung sowohl die Zustimmung des Bearbeiters als auch - falls das bearbeitete Werk noch nicht gemeinfrei ist - die Zustimmung des Urhebers des Originalwerks benötigen.

Beispiel:

Bei der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Neuinszenierung der Operette "Csardas-Fürstin" am Staatsschauspiel Dresden war der Bühnenregisseur als Bearbeiter im Sinne von § 3 UrhRG aufgetreten, da er das zu inszenierende Werk ("Csardas-Fürstin") sprachlich bzw. dramaturgisch umgestaltet und eine eigene Textfassung erarbeitet hatte. Da das Theater ohne Zustimmung des Regisseurs an seiner Inszenierung Änderungen vorgenommen hatte, klagte dieser auf Unterlassung. Sie dürfen also nie vergessen, dass eine solche Bearbeitung stets nur mit Einwilligung des Urhebers (z.B. Regisseurs) des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes erfolgen darf (§ 23 UrhRG). Hierbei erlaubt § 39 Absatz 2 UrhRG auch hier immer nur kleine Änderungen durch das nutzungsberechtigte Theater.

Checkliste: Bearbeitung eines Theaterstückes durch den Regisseur

  • Haben Sie daran gedacht, dass urheberrechtlich nicht nur das Originalwerk, sondern auch noch die Bearbeitung durch einen Regisseur geschützt ist?
  • Haben Sie geprüft, ob der Regisseur eine als selbständiges Werk geschützte Leistung geschaffen hat?
  • Haben Sie bei Vorliegen eines Bearbeitungsrechtes des Regisseurs (§3 UrhG) auch dessen Einwilligung eingeholt?

2. Bearbeitung von Theaterstücken: Bearbeitung und freie Benutzung

(§ 24) Nach § 24 UrhG darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen wurde, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden (§ 24 Abs. 1 UrhRG). Diese Norm legt die Grenze des Schutzbereichs eines Werkes fest. Der Urheber kann die Veröffentlichung und Verwertung seines Werkes in abgewandelter Form kontrollieren. Sein Urheberrecht endet jedoch dort, wo sich eine Umgestaltung im Rahmen eines Theaterstückes derart weit vom ursprünglichen Werk entfernt, dass sie als freie Benutzung einzustufen ist.

Voraussetzung für eine freie Benutzung ist also, dass das neue Werk ein selbständiges und schutzfähiges Werk ist. In diesen Fällen müssen Sie vom Urheber keine Zustimmung einholen.

Beispiel:

In einem Theaterstück mit dem Titel "Sister Soul" lehnen Sie sich an ein Filmwerk ("Sister Act") an, ohne dass hierin dessen charakteristische Handlungselemente und Personen erkennbar sind. Im Einzelfall kann die Abgrenzung zwischen der abhängigen und der freien Benutzung allerdings sehr schwierig sein. Die §§ 23 und 24 UrhRG sind im Zusammenhang zu betrachten. Grundsätzlich sind strenge Maßstäbe bei der Übernahme von urheberrechtlich geschützten Elementen eines Werkes anzulegen. Für eine freie Bearbeitung müssen die übernommenen Elemente in dem eigenständigen neuen Werk aufgehen und dürfen hier nicht in der Art und Weise prägen, dass sie das Wesen des neuen Werks ausmachen. Es reicht nicht aus, wenn das neue Werk auch andere, abweichende Elemente enthält. Entscheidend ist immer, dass bei einer Gesamtbetrachtung die Züge des benutzten Werkes hinter denjenigen des neuen Werkes "verblassen". Dies ist nach der Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn die Benutzung des älteren Werkes nur noch als Anregung zu einem neuen, selbständigen Werkschaffenden erscheint . Das neue Werk muss aber gegenüber dem älteren Werk einen so großen inneren Abstand haben, dass es noch als selbständiges Werk anzusehen ist . Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das ältere Werk selbst zum Gegenstand einer kritisch-humorvollen-ironischen Auseinandersetzung im Rahmen einer Parodie oder Satire gemacht wird. Liegt eine solche freie Benutzung gemäß § 24 UrhG vor, darf also das Werk ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden(§ 24 Absatz 1 UrhG). Sie müssen aber immer daran denken, dass Voraussetzung für eine freie Benutzung ist, dass das neue Werk (z.B. die Bühnenfassung eines Bühnenregisseurs) auch ein selbstständiges und schutzfähiges Werk im Sinne von § 3 UrhG ist.

Checkliste: Abgrenzung der freien von der abhängigen Bearbeitung eines Theaterstückes

  • Haben Sie geprüft, ob ausnahmsweise eine erlaubnisfreie Bearbeitung eines Originalwerkes (z.B. Filmwerkes) vorliegt?
  • Haben die Anlehnungen der freien Benutzung (§24 UrhG) die Werkhöhe des § 3 UrhG (selbständiges und schutzfähiges Werk)?
Gelesen 23261 mal