Beispiel:
"Ungerechtfertigter Verdacht" Während des Kündigungsschutzprozesses gegen Gisela B. stellt sich ihre Unschuld heraus. Sie verlangt, wieder eingestellt zu werden.
Folge:
Gisela B. hat einen Wiedereinstellungsanspruch. Sie hat ab dem Zeitpunkt des Wegfalls des Verdachts einen Anspruch auf Lohn gem. § 615 BGB (LAG Schleswig-Holstein, 3 Sa 491/03). Wenn sich also später in einem Arbeitsgerichtsverfahren herausstellt, dass der Arbeitnehmer schuldlos in Verdacht geraten war, sind Sie als Arbeitgeber aufgrund Ihrer Fürsorgepflicht daher dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Gleiches gilt auch dann, wenn sich die Unschuld des Arbeitnehmers erst nach dessen Entlassung aus der Strafhaft ergeben hat.
Beachte:
Ein gegen den Arbeitnehmer eingeleitetes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren führt nach dessen Einstellung nicht zu einem Wiedereinstellungsanspruch (BAG, Urteil vom 20.08.97 - 2 AZR 620/96 in: NZA 1997, Seite 1340).
Wichtiger Hinweis:
Das Arbeitsgericht kann aber ohne Bindung an das strafgerichtliche Urteil die erforderlichen Feststellungen hier selbst treffen und die Ergebnisse des Strafverfahrens nach den allgemeinen Beweisregeln verwerten (BAG, Urteil vom 26.03.92 in: AP Nr. 23 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).
Checkliste:
(1) Wussten Sie, dass die Verdachtskündigung einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt? Wenn nein, sollten Sie immer daran denken, dass auch nicht nachweisbare, aber starke Verdachtsmomente eine Verdachtskündigung rechtfertigen.
(2) Wussten Sie, dass dem gegenüber für die Tatkündigung für den Kündigungsentschluss maßgebend ist, dass nach Ansicht des Arbeitgebers der Arbeitnehmer die Tat tatsächlich begangen hat und deshalb die weitere Zusammenarbeit unzumutbar ist? Wenn ja, haben Sie zutreffend zwischen Tatkündigung und Verdachtskündigung unter- schieden.
(3) Wussten Sie, dass an die Verdachtskündigung strenge Voraussetzungen geknüpft sind? Wenn nein, sollten Sie immer daran denken, dass Sie wegen der Unschuldsvermutung des Arbeitnehmers immer alles Zumutbare unternehmen müssen, um den Sachverhalt aufzuklären.
(4) Haben Sie sich vor Ausspruch der Verdachtskündigung gefragt, ob Ihr Verdacht auch durch objektive Tatsachen begründet ist? Wenn nein, sollten Sie unbedingt daran denken, dass zum Zeitpunkt der Kündigung konkrete Tatsachen vorliegen müssen, die einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen können.
(5) Haben Sie den Arbeitnehmer vor der Verdachtskündigung auch angehört? Wenn nein, sollten Sie unbedingt daran denken, dass die Anhörung zu den Verdachtsmomenten Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung ist.
(6) Wussten Sie, dass auf die außerordentliche Verdachtskündigung die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB anzuwenden ist? Wenn nein, sollten Sie nie vergessen, dass die 2-Wochen-Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem Sie ein solches Stück des Sachverhalts mit Sicherheit kennen, dass Sie sich ein eigenes Urteil über den Verdacht und seine Tragweite bilden können.
(7) Wussten Sie, dass wenn sich im Verlauf eines Rechtsstreits die Unschuld des Arbeitnehmers herausstellt, dies bei der Verdachtskündigung dann zu seinen Gunsten zu berücksichtigen ist? Wenn nein, müssen Sie daran denken, dass die erwiesene Unschuld des Arbeitnehmers zu einem Wiedereinstellungsanspruch führt.
(8) Haben Sie auch daran gedacht, dass nach einer rechtskräftigen Verurteilung in einem Strafverfahren nur noch eine Tatkündigung möglich ist? Wenn ja, sollten Sie dann bei dieser Tatkündigung nicht vergessen, dass die 2-Wochen-Frist mit Kenntnis der rechtskräftigen Verurteilung beginnt.