Verdachtskündigung: Anhörung des Arbeitnehmers ein Muss

Aufgrund der Ihnen obliegenden Aufklärungspflicht sind Sie als Arbeitgeber gehalten, den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Verdachtskündigung zu den gegen ihn erhobenen Verdachtsmomenten zu hören. Die Erfüllung dieser Pflicht ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verdachtskündigung.

 

Beispiel:

"Nie ohne zumutbare Aufklärung kündigen" Sie kündigen Gisela B., ohne ihr den Verdacht, Geld aus der Kasse veruntreut zu haben, auch nur vorgehalten und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben.

Folge:

Da Sie Gisela B. nicht angehört haben, führt diese schuldhafte Verletzung der Anhörungspflicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (BAG, Urteil vom 10.11.85 in: DB 1986, S. 1726). Als Arbeitgeber müssen Sie also immer daran denken, dass Sie dem Verdächtigen den Verdacht hinreichend konkret vorhalten und ihm vor allem Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

Wichtiger Hinweis:

Verzichten Sie bei der Anhörung auf allgemein gehaltene Wertungen und legen Sie den Verdachtssachverhalt so genau wie möglich dar, um dem Arbeitnehmer eine Entkräftung des Verdachts zu ermöglichen. Der Kündigungssachverhalt sollte daher für den Arbeitnehmer insbesondere hinsichtlich Zeit, Ort und Umstände greifbar sein (BAG, Urteil vom 13.03.08 - 2 AZR 961/06). Ferner ratsam ist, die Anhörung zu "Beweiszwecken" möglichst schriftlich in einem Protokoll zu dokumentieren.

Beachte:

Eine schuldhafte Verletzung der Aufklärungspflicht liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer zu den ihm vorgehaltenen Verdachtsgründen schweigt.

Beispiel:

"Der schweigsame Kfz-Marder I" Sie halten Ihrem Arbeitnehmer Ulrich S. vor, in 11 Fällen an den Kraftfahrzeugen von zwei Kollegen Reifen zerstochen zu haben. Da dieser zu dem Vorwurf schweigt, sprechen Sie die Kündigung aus.

Folge:

Da Sie sich bei der Anhörung auf einen konkreten Sachverhalt bezogen haben, sind Sie Ihrer Anhörungspflicht nachgekommen. Eine Verletzung der Anhörungspflicht liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer nicht bereit ist, sich substantiiert zu den Verdachtsgründen zu äußern (BAG, Urteil vom 26.08.93 in DB 1993, Seite 2534). Sofern sich der Arbeitnehmer nicht substantiiert zu den ihm vorgehaltenen konkreten Verdachtsmomenten äußert, dürfen Sie als Arbeitgeber davon ausgehen, dass dem Arbeitnehmer die Einzelheiten des Tatverdachts bekannt waren.

Beachte:

Sie müssen als Arbeitgeber also immer daran denken, dass die an die Anhörung zu stellenden Anforderungen nicht denjenigen des § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) entsprechen. Die Anhörung bei der Verdachtskündigung muss sich aber immer auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen, auf den sich der Arbeitnehmer auch substantiiert einlassen kann (BAG, Urteil vom 13.09.95 - 2 AZR 587/94 = NZA 1996, S. 81 = AP Nr. 25 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).

Beispiel:

"Der schweigsame Kfz-Marder II" Nachdem die Polizei nach der Strafanzeige eine Überwachungsanlage installiert und Mitarbeiter Ulrich S. auf dem Video erkannt hatten, haben Sie sich in der Anhörung nur auf die Ermittlungsakten berufen. Ulrich S., der auch im Strafverfahren geschwiegen hat, wird freigesprochen.

Folge:

Eine Verdachtskündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung unwirksam, da der Arbeitnehmer nicht zur Aufklärung bereit war und auch keine relevanten Gründe für die Verweigerung genannt hat (BAG, Urteil vom 13.03.08 - 2 AZR 961/06). Sofern dem Arbeitnehmer also die Verdachtsmomente (z.B. aufgrund eines ihm bekannten vorliegenden Durchsuchungsbeschlusses) bekannt sind, dürfen Sie im Rahmen der Anhörung zur Verdachtskündigung hierauf Bezug nehmen. Aus Rechtssicherheitsgründen ist Ihnen jedoch dennoch zu empfehlen, im Rahmen der Anhörung zu einer Verdachtskündigung die Verdachtsmomente möglichst umfassend zu benennen.

Wichtiger Hinweis:

Nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG zur Verdachtskündigung ist zu beachten, dass Sie jetzt im Rahmen des Anhörungsverfahrens auch die von dem Arbeitnehmer gewünschte Zuziehung eines Rechtsanwalts zugestehen müssen.

Beispiel:

"Der schweigsame Kfz-Marder III" Ulrich S. pocht bei der Anhörung darauf, einen Rechtsanwalt hinzuziehen zu dürfen, was von Ihnen verweigert wird. Später im Kündigungsschutzverfahren beruft sich Ulrich S. darauf, dass er bereit war, sich zu äußern, dies aber wegen der Ablehnung nicht getan hat.

Folge:

Dem Arbeitnehmer muss die Zuziehung eines Rechtsanwalts für die Verdachtskündigung zugestanden werden, da eine Weigerung des Arbeitgebers zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann (BAG, Urteil vom 13.03.08 - 2 AZR 961/06). Als Arbeitgeber müssen Sie daher neuerdings unbedingt noch beachten, dass immer dann, wenn Ihr Arbeitnehmer zu der Anhörung eines Rechtsanwalt hinzuziehen möchte, Sie dies ermöglichen sollten, um nicht die Unwirksamkeit der Kündigung zu riskieren.

Beachte:

Soweit der Arbeitnehmer zu seiner Entlastung Tatsachen vorträgt, die im Zeitpunkt der Kündigung vorlagen, sind diese unabhängig von der Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber zu berücksichtigen. Bestreitet der Arbeitnehmer die ihm vorgehaltenen Tatsachen lediglich pauschal, so lässt dies regelmäßig den Schluss zu, der Arbeitnehmer sei an einer Mitwirkung der Aufklärung des Verdachts nicht interessiert. Lässt sich der Arbeitnehmer aber so konkret ein, dass er den Verdacht zerstreuen kann und führen erst weitere Ermittlungen aus Ihrer Sicht zu einer Widerlegung des Einlassungsvorbringens, so müssen Sie den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer auf den Verdacht gestützten Kündigung jedoch erneut anhören (BAG, Urteil vom 13.09.95 - 2 AZR 587/94 - EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Verletzen Sie diese (erneute) Aufklärungspflicht schuldhaft, so ist die auf den Verdacht gestützte Kündigung unwirksam (BAG, Urteil vom 30.4087 in AP Nr. 19 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).

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