Dauer-Praktikantin bekommt keinen Arbeitslohn ( LAG Hamm, Urteil vom 17.10.2014, Aktz.: 1 Sa 664/14 )
Wir berichteten über das Urteil des Arbeitsgericht Bochum vom 25.03.2014, Aktz.: 2 Ca 1482/13. Dieses wurde jetzt vom LAG Hamm aufgehoben.
Die Parteien stritten über einen Nachzahlungsanspruch der Klägerin aus einem beendeten Vertragsverhältnis in Höhe von € 17.281,50. Die Klägerin war beim Beklagten, der einen Supermarkt führte, für mehr als 8 Monate als Praktikantin beschäftigt. Sie hatte sich zuvor erfolglos um einen Ausbildungsplatz als Verkäuferin beworben.
Der Beklagte schloss mit dem Bildungszentrum des Handels e.V. als Trägerverein einen „Rahmenvertrag zur Ableistung eines Praktikums“. Er schloss außerdem mit der Klägerin sowie mit dem Trägerverein einen dreiseitigen „Praktikumsvertrag“, der u.a. vorsah, dass die Klägerin einen Einblick in das Berufsfeld mit seinen Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen erhalten sollte und Grundkenntnisse des betreffenden Berufsbildes vermittelt werden. Die Maßnahme wurde von der Arbeitsagentur im Wege einer sog. Berufsausbildungsbeihilfe gefördert.
Die Klägerin begründete ihre Zahlungsforderung mit dem Hinweis, nicht die Ausbildung sondern die Arbeitsleistung habe im Vordergrund gestanden.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt zu, da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Zwar habe die Klägerin jedenfalls teilweise reguläre Arbeitstätigkeiten verrichtet. Dies sei allerdings im Rahmen eines sozialversicherungsrechtlich geprägten Praktikantenverhältnisses geschehen. Die Klägerin habe als Teilnehmerin einer berufsvorbereitenden Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit das Praktikum absolviert und in dieser Zeit Leistungen der Arbeitsagentur erhalten.
Die Revision ist nicht zugelassen.
Hinweis:
Angesichts des neuen Mindestlohngesetzes und deren in § 22 I 2 Nr. 1-4 MILoG normierten Ausnahmen sind derartige Praktika zukünftig erheblich erschwert und trotz der Aufhebung des Urteils des ArbG Bochums der Inhalt im Wege der dort formulierten Abgrenzung zwingend zu ziehen.
ArbG Bochum, Urteil vom 25.03.2014, Aktz.: 2 Ca 1482/13 – Abgrenzung Praktikanten-/Arbeitnehmerverhältnis
Das Arbeitsgericht Bochum hat in seinem Urteil noch einmal sehr klar zur immer wieder schwer zu ziehende Abgrenzung ausgeführt und auf die insoweit bestehende Darlegungslast des Arbeit- bzw. Praktikantengebers verwiesen:
Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Der Arbeitnehmer erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation. Seine Eingliederung in die Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass er einem Weisungsrecht unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann, vgl. § 106 GewO. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 S. 2 HGB). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend ( vgl. etwa BAG 14.03.2007 – 5 AZR 499/06).
Demgegenüber ist ein Praktikant in aller Regel bloß vorübergehend in einem Betrieb tätig, um sich die zur Vorbereitung auf einen – meist akademischen – Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen. Allerdings findet in einem Praktikantenverhältnis keine systematische Berufsausbildung statt. Vielmehr ist eine darauf beruhende Tätigkeit häufig Teil einer Gesamtausbildung und wird beispielsweise für die Zulassung zu einem Studium oder Beruf benötigt. Demnach steht bei einem Praktikantenverhältnis der Ausbildungszweck im Vordergrund. Die Vergütung ist der Höhe nach deshalb eher eine Aufwandsentschädigung oder Beihilfe zum Lebensunterhalt ( BAG 13.03.2003 – 6 AZR 564/01).
Das bedeutet, dass bei einer Gegenüberstellung der Anteile „Ausbildungszweck“ und „für den Betrieb erbrachte Leistungen und Arbeitsergebnisse“ das Erlernen praktischer Kenntnisse und Erfahrungen deutlich überwiegen muss ( LAG Baden-Württemberg 8.2.2008 – 5 Sa 45/07). Soweit also weder eine Qualifikation vermittelt wird, noch eine fachlich betreute Ausbildung vorliegt, sondern die Erbringung einer Arbeitsleistung im Vordergrund steht und lediglich der Erwerb von Berufserfahrung ermöglicht werden soll, handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis ( LAG Köln 16.05.2008 – 11 Sa 20/08).
Es muss dargelegt werden, ob und inwieweit der Praktikant unter Anleitung durch den Praktikantengeber oder einen seiner Mitarbeiter gearbeitet hat und welchen Umfang dies im Einzelnen annahm, um einen vordergründigen Ausbildungszweck aufzuzeigen. Der Vortrag muss erkennen lassen, inwieweit Qualifikationsdefizite im Rahmen des Ausbildungskonzeptes ausgeglichen werden müssen.