Erholungsurlaub bei unbezahltem Sonderurlaub ( BAG 06.05.2014, 9 AZR 678/12)

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Abgeltung von 15 Tagen gesetzlichen Urlaub aus dem Jahr 2011.

Auf Antrag der Klägerin gewährte die Beklagte ihr gemäß des einschlägigen Tarifvertrages Sonderurlaub unter Fortfall des Entgelts vom 1. Januar 2011 zunächst bis zum 30. Juni 2011 und später bis zum 30. September 2011. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 30. September 2011.

In § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-Charité war geregelt:

„ Ruht das Arbeitsverhältnis, so vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel.“

Das BAG hat entschiedenen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zusteht.

Für das Entstehen des Urlaubanspruchs ist nach dem Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 BUrlG steht nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugsraum eine Arbeitsleistung erbracht hat. Der Senat hat bereits entscheiden, dass auch dann Urlaubsansprüche entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis ruht und das Ruhen des Arbeitsverhältnisses darauf zurückzuführen ist, dass der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllen kann. Nicht anderes gilt, wenn die Arbeitsvertragsparteien das Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen eines vom Arbeitnehmer beantragten Sonderurlaubs vereinbaren.

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien das Ruhen des Arbeitsverhältnisses und damit die Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, wird kein Teilzeitarbeitsverhältnis iSv. § 2 Abs. 1 TzBfG mit einer Arbeitszeit „null“ begründet mit der Folge das eine entsprechende Kürzung des Urlaubsanspruchs erfolgen kann.

Da nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BurlG in Tarifverträgen nicht von den §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG abgewichen werden kann, hat sich trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses der Parteien von Januar 2011 der gesetzliche Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2011 nicht gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-Charité vermindert. Die in der Tarifvorschrift geregelte Verminderung des gesetzlichen Urlaubs lässt § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zu, sodass die Bestimmung insoweit unwirksam ist.

Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Anordnung des Arbeitgebers gegenüber Arbeitnehmern, an einem Mediationsabschlussgespräch teilzunehmen ( LAG Nürnberg 27.08.2013, 5 TaBV 22/12)

Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats wegen der Verletzung von Mitbestimmungsrechten.

Zwischen den Musikern der ersten Geigen war ein Streit über die Verteilung der Sitzplätze hinter dem ersten und dem zweiten Pult entstanden, da vom Sitzplatz indirekt auf die Stellung im Kollektiv im Sinne einer unsichtbaren Hierarchie geschlossen werden könne. Die betroffenen Musiker traten an die Intendanz heran und baten um Unterstützung bei der Beilegung des Streites. Den betroffenen Musikern wurde die Teilnahme an einem Mediationsverfahren angeboten, an dem jedoch nicht alle Musiker der ersten Geigen teilnahmen.

Der Arbeitgeber schrieb die Musiker an und teilte diesen mit, dass am 20.7.2011 ein Gesprächstermin stattfinde, an dem diese verpflichtend teilzunehmen hätten. Der Betriebsrat ist der Ansicht, dass sich bei Orchestermusikern die Arbeitszeit auf die im Dienstplan vorgesehenen Dienste beschränke. Ordne der Arbeitgeber darüber hinaus die verpflichtende Teilnahme an einem Gruppengespräch an, so sei der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG bzgl. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit betroffen. Weiter müsse der Arbeitgeber den betroffenen Musiker wenigstens mitteilen, dass die Teilnahme freiwillig sei.

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg entschied, dass dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch nicht zustehe. Bei der Anordnung der Teilnahme der die ersten Geige spielenden Musiker des Orchesters an dem Abschlussgespräch einer Mediation am 20.07.2011 standen dem Betriebsrat keine Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nrn 2 und 3 BetrVG zu.

Bei der Teilnahme an dem Abschlussgespräch handelt es sich nicht um Arbeitszeit.

Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nrn 2 und 3 BetrVG ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbringen soll. Es geht um die Festlegung des Zeitraums, während dessen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen und dieser sie ihm ggf. mit der Folge des § 293 BGB anbieten kann.

Durch die Teilnahme an einer vom Arbeitgeber veranlassten Mediationsmaßnahme wegen aufgetretener Unstimmigkeiten zwischen Belegschaftsmitgliedern erbringt ein Arbeitnehmer keine Arbeitleistung im vorgenannten Sinn. Der Umstand, dass die Mediation im Interesse des Arbeitgebers durchgeführt wird, macht die dafür aufgewendete Zeit nicht automatisch zu einer solchen, während derer Arbeit geleistet würde. Auch der Umstand, dass der Arbeitgeber die Teilnahme an dem Abschlussgespräch „verpflichtend angeordnet“ hat, lässt die aufgewendete Zeit noch nicht als Arbeitszeit erscheinen. Die betroffenen Mitarbeiter waren zur Teilnahme an der Mediation und damit an dem Abschlussgespräch nicht aufgrund einer wirksamen Weisung verpflichtet.

Der Arbeitgeber kann nach § 106 Satz 1 und 2 GewO gegenüber allen Arbeitnehmern Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleitung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Das Weisungsrecht erschöpft sich nicht nur in der Konkretisierung der Hauptleistungspflichten, vielmehr tritt eine nicht abschließend aufzählbare, je nach den Umständen näher zu bestimmender Vielzahl von Pflichten hinzu, deren Erfüllung unumgänglich ist um den Austausch der Hauptleistungen sinnvoll zu ermöglichen.

Nachdem einer Mediation das Element der Freiwilligkeit immanent ist ( vgl § 1 Abs. 1 MediationsG), schließt dies bereits aus, dass ein Arbeitgeber durch Ausübung seines Weisungsrechts Arbeitnehmer zur Teilnahme an einer Mediation verpflichten kann. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann es sich bei der Teilnahme an dem Mediationsabschlussgespräch nicht um eine leistungssichernde Verhaltenspflicht der Arbeitnehmer und damit nicht um Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nrn 2 und 3 BetrVG handeln.

Anfechtung eines Aufhebungsvertrages ( LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.01.2014, Aktz.: 1 Sa 451/13)

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung und eines Aufhebungsvertrages.

Der Kläger hat trotz eines im Betrieb geltenden Verbotes während der Arbeitszeit das Internet und sein Mobiltelefon privat genutzt. Nach einer einschlägigen Abmahnung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis und legte dem Kläger einen Abwicklungsvertrag vor. Der Kläger wollte sodann im Gespräch mit dem Geschäftsführer erreichen, dass der genannte Vertrag noch eine Änderung erfuhr, wozu der Geschäftsführer nicht bereit war. Der Geschäftsführer äußerte sodann sinngemäß, wenn es nicht zur Unterzeichnung des Vertrages käme, müsse das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt werden.

Das LAG hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten aufgelöst wurde. Zum Zeitpunkt der mit der Vereinbarung beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestand daher kein Arbeitsverhältnis mehr, so dass ungeachtet der begründeten Anfechtung dieser Vereinbarung die Klage unbegründet ist.

Dennoch sind die folgenden Ausführungen des LAG zur Anfechtung wegen einer widerrechtlichen Drohung im Sine des § 123 BGB zu beachten.

Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger die Zufügung eines zukünftigen empfindlichen Übels angekündigt, dessen Verwirklichung in ihrer Macht lag. Diese Drohung war auch widerrechtlich. Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.

Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zweckes anzusehen, ist die Drohung widerrechtlich. Vorliegend hätte ein verständiger Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung schon deshalb nicht in Betracht gezogen, weil zuvor bereits bei im Übrigen unverändertem Sachverhalt eine ordentliche Kündigung ausgesprochen worden war. Es ist anerkannt, dass ein Arbeitgeber ohne Hinzutreten weiterer Pflichtverletzungen nicht wegen solcher Pflichtverletzungen eine Kündigung aussprechen kann, die Gegenstand einer Abmahnung waren. Im Ausspruch einer Abmahnung liegt ein konkludenter Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den bereits mit der Abmahnung gerügten Gründen. Dieser Gedanke gilt entsprechend, wenn wegen einer Pflichtverletzung bereits eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Ohne das Hinzutreten weiterer Pflichtverletzungen bzw. dem Bekanntwerden weiterer, bisher nicht bekannter Pflichtverletzungen, kann nicht wirksam eine weitere, diesmal außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Durch den Ausspruch der ordentlichen Kündigung hat der Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht, dass er das Vertragsverhältnis noch nicht in einem solchem Ausmaß als gestört betrachtet, dass ihm noch nicht einmal dessen Fortsetzung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist. Durch den Ausspruch einer solchen außerordentlichen Kündigung setzt sich der Arbeitgeber damit in Widerspruch zu seinem eigenen vorherigen Verhalten.

 

 

 

(LAG Niedersachsen 9 TaBV 76/12) – nicht erzwingbarer Vorratsbeschluss

Das von uns vertretene Mitglied und der Betriebsrat streiten im Wesentlichen um die Frage, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei Gagen oberhalb der Mindestgage des NV Bühne zusteht, jedenfalls soweit es sich nicht um Tendenzträger handelt. 

Rückzahlung von Fortbildungskosten (LAG Rheinland-Pfalz v. 31.07.2014, Aktz,: 3 Sa 203/14)

Die Parteien streiten darüber, ob der auf Lohnzahlung klagende Kläger zur Rückzahlung von Fortbildungskosten an die Beklagte verpflichtet ist.

Der Arbeitsvertrag enthielt u.a. folgende Regelung: „Der AG übernimmt für Fortbildungskosten die Fortzahlung der vollen Bezüge sowie die vollen Lehrgangskosten. Der AN ist zur Rückzahlung der Lehrgangskosten verpflichtet, wenn er das Arbeitsverhältnis kündigt. Für je 6 Monate der Beschäftigung nach dem Ende des Lehrganges werden von den Lehrgangskosten ¼ der Rückzahlungsbeträge erlassen.“

Der Kläger nahm an einer CAD-Schulung teil. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Eigenkündigung des Klägers.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts dahingehend, dass die Klage des Klägers voll umfänglich begründet ist.

Mit dem Arbeitsgericht ist vorliegend davon auszugehen, dass die Beklagte sich gegenüber den unstreitigen Entgeltansprüchen des Klägers nicht auf die arbeitsvertragliche Rückzahlungsklausel von Lehrgangskosten berufen kann.

Eine Rückzahlungsklausel, die nicht danach differenziert, wessen Verantwortungs- und Risikobereich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzurechnen ist und eine Erstattungspflicht auch dann vorsieht, wenn dieser wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers zur Eigenkündigung „berechtigt“ wäre, ist folglich insgesamt unwirksam. Dabei ist es nicht maßgeblich, ob vorliegend ein solcher Lebenssachverhalt gegeben ist. Denn die AGB-Kontrolle führt als ex-ante-Kontrolle schon dann zur Unwirksamkeit der Klausel, wenn sie auch nur in einer der insgesamt von der Klausel erfassten denkbaren Fallgestaltungen unangemessen wäre, also insbesondere auch unabhängig davon, ob sich diese im konkreten Einzelfall dann auch tatsächlich verwirklicht hat oder nicht.

Hinzu kommt, dass unwirksam auch eine Klausel ist, die den Arbeitnehmer mit Ausbildungskosten belastet, obwohl er durch die Ausbildung keinen beruflichen Vorteil erlangt.

Schließlich liegt vorliegend auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vor. Denn dem genügt eine Klausel über die Erstattung von Fortbildungskosten nur dann, wenn die durch die Fortbildung entstehenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren bezeichnet sind.

Zugang eines Kündigungsschreibens (BAG , Urteil vom 22. März 2012, Aktz.: 2 AZR 224/11)

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier fristloser Kündigungen. In diesem Zusammenhang streiten sie darüber, ob die Klage gegen eine der Kündigungen verspätet und ggf. nachträglich zuzulassen ist.

Der Kläger war vom 12. bis 27. Juni 2009 im Erholungsurlaub und fand bei seiner Rückkehr in seinem Briefkasten ein Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 und ein weiteres vom 26. Juni 2009 vor. Der Kläger bestreitet mit „Nichtwissen“, dass die Kündigungserklärung vom 25. Juni 2009 noch am selben Tag in seinen Briefkasten eingeworfen worden sei. Er habe annehmen dürfen, dass er mit seiner Klage gegen die Kündigung vom 26. Juni 2009 zugleich die Kündigung vom Tag zuvor angegriffen habe. Auch habe er annehmen müssen, dass die Klagfrist erst begonnen habe, nachdem er von den Kündigungserklärungen am 27. Juni 2009 tatsächlich Kenntnis erhalten habe.

Das BAG hat entschieden, dass die am 17. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 nicht die Frist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt hat. Das Kündigungsschreiben war dem Kläger iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB noch am 25. Juni 2009 zugegangen. Die Kündigungsschutzklage hätte spätestens am 16. Juli 2009 eingehen müssen:

Hinweis : Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchen sie dem Empfänger zugeht. Eine verkörperte Willenerklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören auch von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie z.B. ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren. Bei Hausbriefkästen ist mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen, die allerdings stark variieren können.

Wenn danach für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob und wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. In diesem Fall trifft den Empfänger die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, so wird der Zugang durch solche – allein in seiner Person liegende – Gründe nicht ausgeschlossen. Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben kann diesem deshalb selbst dann zugehen, wenn der Arbeitgeber von einer urlaubsbedingten Ortsabwesenheit weiß.

Vorliegend wurde nach einer Beweisaufnahme für wahr gehalten, dass das Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 an diesem Tag gegen 13 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen wurde. Das Vorbringen des Klägers, erhabe keinen Kenntnis davon gehabt, dass er gegen jede einzelne Kündigung vorgehen müsse, schließt ein Verschulden nicht aus. Es gehört zu den für jeden Arbeitnehmer geltenden Sorgfaltspflichten, sich zumindest nach Ausspruch einer Kündigung unverzüglich darum zu kümmern, ob und wie er dagegen vorgehen kann.

 

Erstattung von Weiterbildungskosten – Transparenz einer Rückzahlungsklausel ( BAG v. 9.08.2013, 9 AZR 442/12 )

Die Arbeitgeberin verlangt von der Arbeitnehmerin, Weiterbildungskosten zu erstatten.

Im Streit steht dabei folgende „Nebenabrede zum Arbeitsvertrag“:

„(1) Im Rahmen der nachfolgend genannten Weiterbildung „Fachpflege Psychatrie“ wird die…. ( Arbeitgeberin ) jeden Mitarbeiter für den Besuch des Lehrgangs freistellen und die Lehrgangsgebühren übernehmen.

(2) Der Angestellte verpflichtet sich, die der ..(AG) entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Lohnfortzahlungskosten – wie nachfolgend beschrieben – zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Angestellten oder aus einem von ihm zu vertretenden Grunde endet. Ausgenommen ist die Kündigung bzw. der Auflösungsvertrag aufgrund einer Schwangerschaft oder Niederkunft in den letzten drei Monaten. Endet das Arbeitsverhältnis wie oben beschrieben, dann sind

- im ersten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs die gesamten Aufwendungen,

- im zweiten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs zwei drittel der Aufwendungen

- im dritten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs ein Drittel der Aufwendungen zurückzuzahlen.“

Das BAG hat entschieden, dass ein Anspruch auf Ersatz von Weiterbildungskosten nicht besteht. Die Rückzahlungsklausel in Nr. 2 der Nebenabrede ist intransparent ( § 307 Abs.1 Satz 2 BGB) und benachteiligt den Beklagten deshalb unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel entfällt ersatzlos und ist auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung mit einem zulässigen Inhalt aufrechtzuerhalten.

Damit eine Rückzahlungsklausel für Weiterbildungskosten dem Transparenzgebot genügt, muss sie die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber als Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Rückzahlungsklausel muss zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten angeben, sonst kann der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko nicht ausreichend abschätzen. Erforderlich ist die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen ( z.B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten), aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll, und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden.      

 

 

 

Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist – Fremdvergabe von Tätigkeiten ( BAG 20.6.2013, 2 AZR 379/12 )

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Die Klägerin war seit 1984 als Reinigungskraft beschäftigt und nicht mehr ordentlich kündbar.

Aufgrund einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung entschloss sich die Beklagte zu Umstrukturierungsmaßnahmen. Unter anderem war beabsichtigt, einen Betriebsteil „Reinigungsdienste“ zu bilden, der im Wege des Betriebsteilübergangs auf einen neuen Inhaber übertragen werden sollte. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses. Sie wandte sich gegen die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist mit der Begründung, es fehle an einem wichtigen Grund. Die Entscheidung der Beklagten, die Reinigungstätigkeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben, sei rechtsmissbräuchlich. Es hätten andere Möglichkeiten bestanden, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, etwa in Form der Personalgestellung bei dem beauftragten Reinigungsunternehmen oder bei der Beklagten selber im Bereich des Immobilienmanagement, der Buchhaltung, des Sekretariats oder als Hausmeisterin.

Das BAG hat die außerordentliche Kündigung als nicht unwirksam angesehen, allerdings zur weiteren Aufklärung, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung möglich und zumutbar war, an das LAG zurück verwiesen.

Das BAG führte im übrigen wie folgt aus:

Gemäß § 626 Abs.1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde ( BAG 22. November 2012 – 2 AZR 673/11). Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber bei einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Kündigung zwingend eine der - fiktiven – ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten.

Die einer betrieblich-organisatorischen Maßnahmen zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist. Für die Bewertung der betrieblichen Erfordernisse als „dringend“ kommt es nicht darauf an, in welchem Ausmaß für das Unternehmen wirtschaftliche Vorteile durch die Maßnahme zu erwarten sind. Die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation ist mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Es ist nach Art. 12 Abs. 1 GG dem Arbeitgeber überlassen, wie er sein Unternehmen führt, ob er überhaupt weiterführt, welche Größenordnung es haben soll und ob er seine Betätigungsfelder einschränkt oder festlegt, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen . Er kann grundsätzlich Umstrukturierungen zum Zwecke der Ertragssteigerung vornehmen. Es kann unter Geltung von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ohnehin nicht darum gehen, ihm die fragliche organisatorische Maßnahme als solche gerichtlich zu untersagen oder eine „richtige“ oder „bessere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben, sondern nur darum, ob ihre tatsächliche Umsetzung eine Kündigung rechtfertigt.

Vom Arbeitgeber ist danach „nur“ im Einzelnen darzulegen und von den Gerichten zu überprüfen, dass bzw. ob das fragliche unternehmerische Konzept eine Kündigung tatsächlich erzwingt. Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis – ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung – sinnvoll fortzusetzen.    

 

Donnerstag, 05 Januar 2017 13:49

AGB-Kontrolle bei Befristungen im Bühnenarbeitsrecht

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Im Bereich des Bühnenarbeitsrechts ist auf eine brandneue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Anwendungsbereich des Tarifvertrages für Kulturorchester (TVK) bzgl. einer notwendigen AGB-Kontrolle bei der befristeten Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit hinzuweisen (sogenannte „Solo-Fagottistin-Entscheidung“ vom 07.10.2015, 7 AZR 945/13).

 

  1. Sachverhalt

Der Arbeitgeber hatte die Tätigkeit als Erste (Solo-)Fagottistin nur befristet und nicht dauerhaft übertragen. Nach Befristungsende hat die Musikerin geltend gemacht, die Tätigkeit als (Solo-)Fagottistin sei dauerhafter Vertragsinhalt geworden, weil die vereinbarte Befristung der Übertragung dieser Tätigkeit unwirksam sei. Die Unwirksamkeit der Befristung ergäbe sich insbesondere aus dem Teilzeitbefristungsgesetz (§§ 14 Absatz 1, 17 Satz 1TzBfG). Das Theater hat geltend gemacht, dass die vereinbarte Befristung der Übertragung der Tätigkeit im Einklang mit § 20 TVK stehe und insbesondere § 3 Absatz 1 TVK der Wirksamkeit der Befristung nicht entgegenstehe.

 

  1. Leitsatz des BAG

Das BAG hat entschieden, dass § 20 TVK die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nicht ausschließt. Ferner hat das BAG, dass die Befristung der Übertragung der Tätigkeit einer Ersten (Solo-)Fagottistin nur einer Vertragsinhaltskontrolle gem. § 307 Absatz 1 BGB unterliege. In dem entschiedenen Fall hat das BAG angenommen, dass die Befristung auch dieser Inhaltskontrolle nach § 307 Absatz 1 BGB standgehalten hat. Das BAG hat damit die Auffassung der Musikerin abgelehnt, dass die Tätigkeit dauerhafter Vertragsinhalt deshalb geworden sei, weil die vereinbarte Befristung der Übertragung dieser Tätigkeit unwirksam sei. Konsequenz für die Praxis: Nach neuerer Auffassung des BAG sind die Vorschriften des TzBfG auf die Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar. Die Vertragsinhaltskontrolle erstreckt sich somit nur auf die letzte (befristete) Übertragung der Tätigkeit.

Befristung während des Auswahlverfahrens ( ArbG Flensburg v. 04.06.2014, Aktz.: 1 Ca 1339/13)

Die Parteinen streiten um die Wirksamkeit einer Befristung.

Die Klägerin ist seit dem 27.08.2009 aufgrund unterschiedlicher befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten als Violinistin beschäftigt. Die befristeten Arbeitsverträge der Klägerin fanden ihren Grund jeweils in unterschiedlichen Vertretungssituationen. Mit Vertrag vom 21.06.2013 wurde mit der Klägerin das letzte befristete Arbeitsverhältnis mit der Laufzeit vom 01.08.2013 bis 31.10.2013 geschlossen.

Diese Stelle war am 11.06.2013 frei geworden und wurde sodann ab dem 14.06.2013 online geschaltet. Bei der Beklagten existiert für die Besetzung von Stellen eine Probespielordnung.

Die Klägerin hat sich auf die ausgeschriebene Stelle beworben und am Vorspiel hinter dem Vorhang am 18.09.2013 teilgenommen. Dort schied sie aus, die Stelle wurde im zweiten Vorspiel vergeben.

Im Rahmen von mehrfach aneinander anschließenden Befristungen ist lediglich der letzte befristete Arbeitsvertrag gerichtlich überprüfbar.

Gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG ist die Befristung aus sachlichem Grund u.a. dann zulässig, wenn „der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht“ ( § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG) oder „der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird“ ( § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine sogenannte „Platzhalterbefristung“ zulässig ist, wenn der Arbeitgeber sich schon vertraglich an einen anderen Arbeitnehmer gebunden hat und dieser noch nicht unmittelbar beschäftigt werden kann ( BAG vom 13.10.2004 – 7 AZR 218/04). Dieser Fall lag vorliegend nicht vor, da der Ausgang des Bewerbungsverfahrens noch offen war.

Eine Befristung kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer für eine Überbrückungszeit befristet beschäftigt wird, weil der Arbeitgeber entschieden hat, den Arbeitsplatz nach Ausscheiden des Stelleninhabers mit einem Mitarbeiter zu besetzen, der über bestimmte Anforderungen verfügt ( BAG vom 05.06.2002 – 7 AZR 201/01).

Vorliegend ist die Befristung des Arbeitsvertrages der Klägerin vorgenommen worden, um die von ihr befristet ausgefüllte Stelle unbefristet mit einem Mitarbeiter zu besetzen, der im Probespiel ausgewählt wird. Hierbei handelt es sich um einen vorübergehenden Bedarf. Schließlich muss die Stimme bis zur endgültigen Besetzung der Stelle besetzt sein, so dass der Bedarf bis zu diesem Zeitpunkt überbrückt werden muss ( ebenso ArbG Oldenburg vom 19.10.2011 – 3 Ca 239/11 Ö, LAG Niedersachsen vom 17.04.2012 – 3 Sa 1704/11). Bei der vorliegenden Befristung geht es also nicht darum, dass eine dauerhafte Stelle anstelle einer unbefristeten Besetzung mit einer befristeten Arbeitskraft ausgefüllt werden soll. Vielmehr geht es nur um die Überbrückung bis zu einem Zeitpunkt, zu dem eine geeignete Kraft den Qualitätsanforderungen im vorgesehenen Verfahren entsprechend ausgewählt werden kann.

Die Kammer ist der Auffassung, dass die Beklagte grundsätzlich berechtigt ist, sich an die – für sie allerdings rechtlich nicht verbindliche – Probenspielordnung zu halten. Wenn es einem Arbeitgeber verwehrt wäre, zur Einhaltung eines solchen Auswahlverfahrens einen Arbeitnehmer befristet zu beschäftigen, so stünde er vor der Situation, entweder die Aufgabe nicht ausfüllen zu können oder aber auf ein entsprechendes Auswahlverfahren verzichten zu müssen. Dies kann einem Arbeitgeber jedoch nicht zugemutet werden, so dass eine Befristung wegen vorübergehenden Bedarfs für den Zeitraum, den das Auswahlverfahren benötigt, zulässig sein muss. Ergänzend kommt im vorliegenden fall hinzu, dass die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG es gebietet, dass die Beklagte ihre künstlerische Tendenz so ausüben kann, dass sie nach eigenen Qualitätskriterien die Stellen besetzen darf.

Allerdings ist Voraussetzung dafür, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Befristung vornehmen kann, dass er zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages die Entscheidung getroffen hat, die unbefristet Stelle nur nach Probespiel zu vergeben.  

 

 

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