Nebentätigkeit trotz Arbeitsunfähigkeit II. Instanz (BOSchG Frankfurt 11. Juli 2012 - nicht rechtskräftig )

Wir berichteten in der LVM Nr. 43 über den Fall des Balletttänzers, der während seiner Krankschreibung eine Abendtanzstunde leitete.

Die fristlose Kündigung wurde vom Bezirksbühnenschiedsgericht als unwirksam erachtet. Das BOSchG schließt sich diesem insofern an,

als dass die Beklagte sich nicht auf ein genesungsstörendes Verhalten berufen könne, da sie in ihrem Anhörungsschreiben an den Betriebsrat vom 13.10.2010 nicht ausreichend verdeutlichte, sie wolle ihre fristlose Kündigung auch auf dieses Verhalten stützen. Vielmehr hatte die Beklagte sich darauf berufen, dass der Kläger über seinen tatsächlichen Gesundheitszustand getäuscht habe, d.h. seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht und damit das Vertrauensverhältnis zerstört habe.    

Hinweis:  

Durch die Anhörung muss dem Betriebsrat der „Kündigungsgrund“ im Sinne eines aus mehreren Tatsachen und einer groben rechtlichen Einordnung gebildeten Begründungszusammenhang erkennbar werden, auf den sich der Arbeitgeber stützen will ( BAG AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl).  

Entgegen der Sicht des Bezirksbühnenschiedsgerichts hält das BOSchG die fristlose Kündigung dennoch für wirksam. Es ist zur Überzeugung gekommen, dass er tatsächlich nicht arbeitsunfähig war. 

Zwar hat der Hausarzt in der ihm gestellten Beweisfrage das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit in der fraglichen Zeit und dies wegen einer Infektion der oberen Luftwege bestätigt. 

Doch ist stets auch zu prüfen, ob die Umstände, die den Beweiswert des ärztlichen Attestes erschüttern, nicht als so gravierend anzusehen sind, dass sie ein starkes Indiz für die Behauptung des Arbeitgebers darstellen, die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sei tatsächlich nicht vorhanden gewesen, sei nur vorgetäuscht. Damit wird der Erfahrungstatsache Rechnung getragen, dass Ärzte zu der Erkenntnis des Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit leicht durch Schilderung von erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch den Patienten gebracht werden können, auch wenn diese tatsächlich nicht schwerwiegend sind, insbesondere gegenüber dem Arzt nicht die Ausübung einer Nebentätigkeit offenbart wird.  

Nach überzeugender Auffassung des BOSchG verträgt sich das (angebliche) Leiden an einer Erkältung, die den Kläger gehindert haben soll, seine Arbeit als Tänzer im Ballett der Beklagten nachzugehen, nicht damit, gleichwohl zur Tätigkeit als Tanzlehrer fähig gewesen zu sein, auch wenn er bei der Arbeit als Balletttänzer sicherlich höheren Belastungen und Anforderungen ausgesetzt war. Es hätte bei der Ausübung der Tätigkeit als Tanzlehrer während 1 1/2 Stunden bemerkbar gewesen sein müssen, dass die oberen Luftwege des Klägers durch eine Infektion beeinträchtigt waren. Dies war nicht der Fall. Entsprechendes gilt für die (angeblich) schmerzhaften Rückenbeschwerden. Eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit war durch die Zeugin  nicht zu erkennen gewesen.

Der Kläger hat lässt den Beschluss vom Arbeitsgericht überprüfen. 

 

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