Freistellung nach Kündigung: Konkrete Voraussetzungen ein Muss

Darauf hinzuweisen ist, dass Sie insbesondere im "Kündigungsfalle" als Arbeitgeber die Möglichkeit haben, den von Ihnen gekündigten Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen von seiner vertraglichen Arbeitspflicht zu entbinden.

 

Beispiel:"Freistellung nach Kündigung"

Sie haben von einer Straftat eines Arbeitnehmers erfahren und kündigen diesem. Sie überlegen, ob nach einer verhaltensbedingten Kündigung eine sofortige Freistellung möglich ist.

Folge:

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) können Sie den Arbeitnehmer hier nach Ausspruch der Kündigung jederzeit freistellen (vgl. BAG, Urteil vom 15.06.1972, in DB 1972, S. 148).

Sie müssen als Arbeitgeber also immer daran denken, dass die Freistellung nach Kündigung ausnahmsweise nur dann in Betracht kommt, wenn hierfür konkrete Voraussetzungen erfüllt sind. Dies bedeutet, dass diese immer dann möglich  ist, wenn Sie ein triftige Gründe für ein "überwiegendes" arbeitgeberseitiges Freistellungsinteresse "ins Feld führen" können (vgl. LAG Hamburg, Urteil vom 03.11.93 in DB 1994, S. 149).

Beispiel:"Bei betriebsbedingter Kündigung nur ausnahmsweise"

Sie kündigen Ihrem Arbeitnehmer "betriebsbedingt" und wollen diesen sofort nach Zugang der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist "suspendieren", ohne diesem hierfür triftige Gründe benennen zu können.

Folge:

Anders als bei verhaltensbedingten Kündigungen (schwere Straftat) kommt bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Freistellung nur bei Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für diesen gekündigten Arbeitnehmer innerhalb der Kündigungsfrist in Betracht.

Da für den Arbeitnehmer die "sofortige Freistellung" im Einzelfall eine starke Beeinträchtigung bedeuten kann, bedeutet dies, dass  Sie Ihren Arbeitnehmer nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung nur ausnahmsweise  von seinen Arbeitspflichten freistellen dürfen. 

Beispiel: "Spesenbetrug"

Sie erfahren, dass Daniel D. eine Privatreise als "Forschungsreise" abgerechnet hat.

Folge:

Bei einer solchen schweren Pflichtverletzung überwiegt Ihr Nichtbeschäftigungsinteresse.

Sie sollten als Arbeitgeber also nicht vergessen, dass die Rechtmäßigkeit einer Freistellung grundsätzlich immer von einer umfassenden Interessenabwägung abhängig ist und Sie ausnahmsweise besondere schutzwürdige Interessen dahingehend benennen können, die dem ansonsten grundsätzlich bestehenden Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers deutlich überwiegen (vgl. dazu BAG GS, Urteil vom 27.02.85, in: DB 1985, S. 2197).

Beachte:

Die Pflicht, eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, besteht nicht nur bei "einfachen" Arbeitnehmern, sondern in gleicher Weise auch für Führungskräfte und leitende Angestellte. Insbesondere bei Arbeitnehmern in exponierter Stellung ist eine Suspendierung unter dem Gesichtspunkt des Konkurrenzschutzes in Betracht zu ziehen. Ein fester Bewertungsmaßstab existiert hier nicht. Auf der "sicheren Seite" stehen Sie, wenn Sie einen "sachlichen Grund" wie beispielsweise die Gefahr negativer Äußerungen über den Arbeitgeber oder Abwerbung von Kunden vorweisen können.

Beispiel:"Interessenabwägung zwingend"

Daniel D. hat in Ihrem Unternehmen eine "Schlüsselposition inne und ist "Geheimnisträger". Da Sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die "Weitergabe sensibler Daten" an einen mit Ihnen in einem "harten Wettbewerb" stehen Hersteller vermeiden wollen, stellen Sie diesen gleichzeitig mit Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung frei und beabsichtigen die Aufgabe stattdessen einem anderen zu übertragen. 

Folge:

Hier dürfen Sie ausnahmsweise trotz "Exponiertheit" freistellen, wenn Sie berechtigte Bedenken wegen des Verrats von Betriebsgeheimnissen darlegen können, insbesondere die Beschäftigung für Sie unzumutbar ist (z.B. Konkurrenzschutz) aufgrund eines Wettbewerbsverhältnisses zu einem anderen Hersteller). Ansonsten schließt auch die Übertragung der Aufgabe auf einen anderen Arbeitnehmer nicht den allgemeinen Beschäftigungsanspruch aus.

Der allgemeine Beschäftigungsanspruch ist also nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nur dann ausgeschlossen, wenn Ihnen die von Ihrem Arbeitnehmer beanspruchte  Beschäftigung  nicht möglich oder nicht zumutbar ist oder wenn Ihr Interesse an der Nichtbeschäftigung Ihres Arbeitnehmers schutzwürdig ist und das Beschäftigungsinteresse überwiegt.

Wichtiger Hinweis:

Hierbei obliegt es stets Ihnen als Arbeitgeber diesen Ausnahmetatbestand  (Überwiegen des Nichtbeschäftigungsanspruches) darzulegen und  zu beweisen. 

Beachte:

Hierbei ist innerhalb der Freistellungen zwischen den sog. bezahlten und unbezahlten Freistellungen zu differenzieren. Während im ersten Fall Sie als Arbeitgeber weiter zur Vergütungszahlung verpflichtet sind, müssen Sie bei der unbezahlten Freistellung nicht mehr Ihrer Vergütungspflicht nachkommen. Bedeutsam ist, dass der Arbeitnehmer nach einer Kündigung jedoch während der Dauer der Suspendierung (Freistellung) grundsätzlich  den Vergütungsanspruch behält.

Achtung "Sonderfall": Freistellung im Kündigungsschutzprozesses

Während nach der höchstrichterlichen Rechtssprechung im laufenden ("ungekündigten") Arbeitsverhältnis grundsätzlich der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers überwiegt, ist es nach einer Kündigung, die in einen Kündigungsschutzprozess "mündet" genau "umgekehrt": So überwiegt hier immer der Nichtbeschäftigungsanspruch des Arbeitgebers nach Kündigung eines im Kündigungsschutzrechtstreit stehenden Arbeitsverhältnisses. Dies gilt allerdings nur solange, bis das Arbeitsgericht erstinstanzlich entschieden hat.

Beispiel:

"Zäsur erste Instanz"

Da Sie einen Großauftrag verloren haben, kündigen Sie Daniel D. betriebsbedingt wegen Wegfall seines Arbeitsplatzes.

Folge:          

Solange das Arbeitsgericht erstinstanzlich nicht über die Wirksamkeit der Kündigung entschieden hat, müssen Sie ihn nicht beschäftigen.

In einen Kündigungsschutzprozess, dem eine Kündigung ohne Widerspruch des Betriebsrats zugrunde liegt, besteht für Sie als Arbeitgeber bis Abschluss der ersten Instanz grundsätzlich keine Beschäftigungspflicht.

Beachte:

Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die von Ihnen ausgesprochene Kündigung offensichtlich unwirksam ist oder der Arbeitnehmer ein nachgewiesenes außergewöhnliches Beschäftigungsinteresse hat.

Wichtiger Hinweis:

Haben Sie allerdings den Prozess  erstinstanzlich verloren", müssen Sie den Arbeitnehmer grundsätzlich auch dann weiterbeschäftigen, wenn Sie "in die 2. Instanz gehen wollen. Gleiches gilt während eines Kündigungsschutzprozesses, dem eine Kündigung mit Widerspruch des Betriebsrats  nach § 102 Absatz 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zugrunde liegt. Hier besteht auf Verlangen des Arbeitnehmers ein gesetzlicher Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits. Eine Freistellung ist nur bei Vorliegen der in § 102 Absatz 5 Nr.1-3 BetrVG genannten Voraussetzungen möglich.

 

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