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Außerordentliche Kündigung – häufige Kurzerkrankungen ( LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.08.2014, Aktz: 15 Sa 825/13)

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist.

Die Kläger ist seit dem 1. Januar 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ist sie ordentlich unkündbar. Auf dieser Basis ist die Beklagte auch verpflichtet, Entgeltfortzahlung in voller Höhe bis zum Ende der 26. Woche zu leisten.

Seit dem Jahr 2000 war die Klägerin wiederholt arbeitsunfähig auch über deutlich mehr als 26 Wochen in Folge erkrankt. Zuletzt war die Klägerin durchgängig vom 18. Februar 2011 bis zum 20. April 2012 arbeitsunfähig erkrankt. Eine Operation wegen eines Schulterengpasssyndroms im Februar 2011 führte zu keiner Besserung. Die Parteien führten verschiedenen Gesprächen, in denen die Klägerin keinen konkreten Termin bzgl. der Wiederaufnahme der Arbeit mitteilen konnte.

Die Beklagte kündigte am 24. Oktober 2011 das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist zum 31.12.2012. In der Zeit vom 14.11. bis 26.11.2011 befand sich die Klägerin in teilstationärer Behandlung u.a. wegen einer depressiven Störung im Krankenhaus. Am 12. März 2012 wurde die Klägerin erneut an der Schulter operiert. Von April 2012 bis Dezember 2012 arbeitete die Klägerin ohne dass weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten auftraten.

Das Arbeitsgericht Cottbus hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen und einen Kündigungsgrund nach § 626 BGB bejaht. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben.

Hinweis:

Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kann ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sein. Eine außerordentliche Kündigung kommt jedoch nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist. Das BAG prüft die Wirksamkeit einer auf häufigen Kurzerkrankungen gestützten Kündigung grundsätzlich in drei Schritten. Im Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatschen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Hierbei kommt häufigen Kurzerkrankungen in der Vergangenheit ( grds Zeitraum von drei Jahren) indizielle Bedeutung für eine entsprechende künftige Entwicklung zu – 1. Stufe. Im Rahmen der Prüfung der 2. Stufe muss festgestellt werden, ob die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Diese kann sich aus Betriebsablaufstörungen aber auch aus wirtschaftlichen Belastungen, etwa durch die zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen ergeben. Auf der Ebene der 3. Stufe ist dann im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigung vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Bei einer außerordentlichen Kündigung ist dieser Prüfungsmaßstab auf allen drei Stufen erheblich strenger.

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann bei Anwendung dieser Grundsätze nicht festgestellt werden, dass ein Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 BGB vorliegt.

Zu berücksichtigen sei zunächst, dass Kurzerkrankungen wie akute Infektionen der oberen Atemwege, Bronchitis, Magen-Darm-Infektion und Virusinfektion nach Auskunft des Sachverständigen allgemein ausgeheilt sind. Prognosefähig sind jedoch Erkrankungen wg der depressiven Störungen und der Probleme im Schulterbereich.

Die Klägerin war in den letzten drei Jahren insgesamt an 366 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, durchschnittlich pro Jahr demnach 17,4 Wochen. Entgeltzahlungen musste die Beklagte an 308 Tagen leisten.

Dies führt nach Ansicht des LArbG nicht zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung. Das BAG habe selbst Fehlzeiten in Höhe von 18,81 nicht ausreichen lassen. Ebenso habe aus dem Vortrag der Beklagten nicht abgeleitet werden können, dass die prognostizierten Fehlzeiten künftig zu nicht mehr hinnehmbaren Betriebsablaufstörungen führen werden. Die Beklagte habe weder vorgetragen, dass es insofern zur Ableistung von Überstunden gekommen sei, noch das von den übrigen Beschäftigungen überobligatorische Leistungen eingefordert worden seien. Vertretungsbedarf und ggf. Verzögerungen im Betriebslablauf habe das BAG als nicht außergewöhnlich angenommen.

Auch die allgemeine Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Klägerin aus, so dass auch aus diesem Grunde die ausgesprochene außerordentliche Kündigung unwirksam ist. Hierbei ist zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass diese über einen langen Zeitraum ebenfalls von mehr als 10 Jahren erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten hingenommen hat, ohne dass eine Kündigung ausgesprochen wurde. Auch hier hat die Beklagte zahlreiche Krankengespräche geführt und der Klägerin auch unter Abänderung des Arbeitsvertrages einen anderen Arbeitsplatz zugewiesen. Insofern hat sie versucht, zu einer Reduzierung der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin beizutragen. Trotzdem überwiegen die Interessen der Klägerin. Ihrer Betriebszugehörigkeit von mehr als drei Jahrzehnten, ihrem Alter von damals 53 Jahren und den mit beiden Merkmalen verbundenen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt kommt ganz erhebliches Gewicht zu.    

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Außerordentliche (Verdachts-) Kündigung – Kündigungserklärungsfrist ( BAG, Urteil v. 20.03.2014, Aktz.: 2 AZR 1037/12)

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Beklagten lagen Informationen vor, die zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen könnten. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2010 lud die Beklagte den Kläger zu einer Anhörung für den 13. Dezember 2010 in ihre Geschäftsräume ein. Der Kläger war seit dem 26. Juli 2010 erkrankt. Er teilte mit E-Mail vom 12. Dezember 2010 mit, er könne den Termin wegen einer Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen. Er bat darum, ihn schriftlich anzuhören und die Fragen seinem Prozessbevollmächtigten zu schicken. Die Beklagte sandte daraufhin am 14.12.2010 sowohl an den Kläger als auch dessen Prozessbevollmächtigten einen zehn Seiten langen Fragenkatalog und setzte eine Frist bis zum 17.12.2010. Mit Schreiben vom 15.12.2010 teilten die Prozessbevollmächtigten mit, dass eine Beantwortung erst im Laufe des Januar erfolgen wird können. Mit Schreiben vom 20.12.2010 hörte die Beklagte den Personalrat an. Mit Schreiben vom 27.12.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.

Das BAG führt aus, dass die Kündigung wegen vom Kläger tatsächlich begangener Pflichtverletzung nicht deshalb unwirksam ist, weil die Beklagte die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 nicht eingehalten hätte.

1. Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Der Kündigungsberechtigte der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßen Ermessen weiteer Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen soll.

Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen. Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht. Dies bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten.

Das BAG hat den Rechtsstreit hat das LAG zurück verwiesen, da diese noch keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen haben, wann die Beklagte Kenntnis dazu hatte, dass der Kläger sich nicht innerhalb der Frist äußern werde.

2. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Bei ihr besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen um das Geschehen aufzuklären.

Unterbleibt eine Anhörung, weil der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwurf zu äußern, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nicht über die Verdachtsmomente näher informieren. Eine solche Anhörung wäre überflüssig.

Ein Unterlassen kann auch dann unschädlich sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer – im Rahmen des Zumutbaren – Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, und dieser sich innerhalb der gesetzten – angemessenen – Frist gleichwohl nicht geäußert hat. Dies gilt einmal, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich schweigt, kann aber selbst bei unfreiwilligem Schweigen gelten. Ist etwa der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht nur an einem persönlichen Gespräch, sondern längerfristig auch an einer schriftlichen Stellungnahme auf ihm übermittelte Fragen verhindert, muss der Arbeitgeber nicht notwendig die Zeit abwarten, zu der sich der Arbeitnehmer wieder äußern kann. Zwar mag die Frist des § 626 Abs.2 BGB noch nicht laufen beginnen, solange der Arbeitgeber entsprechend zuwartet. Wartet der Arbeitgeber diesen Zeitpunkt aber nicht ab, führt das nicht automatisch dazu, dass ihm eine Verletzung seiner Aufklärungsfrist vorzuwerfen wäre.

Das LAG war der Auffassung, es habe an der erforderlichen Anhörung gefehlt, da die Beklagte dem Kläger angesichts seines Aufenhalts in der Reha-Klinik keine ausreichende Frist gesetzt habe.

Das BAG hat den Fall zu weiteren Aufklärung und Prüfung an das LAG zurück verwiesen.

 

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Krankheitsbedingte außerordentliche Kündigung bei häufigen Kurzerkrankungen ( BAG, Urteil v. 23.01.2014, Aktz.: 2 AZR 582/13 )

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist.

Die Klägerin war seit 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 war die Klägerin wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Der Personalärztliche Dienst attestierte ihr jeweils eine positive Prognose, die Tendenz in den letzten drei Jahren war fallend. Die durchschnittliche jährliche Fehlzeit betrug 11,75 Wochen.

Das BAG entschied, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. März 2012 nicht aufgelöst worden ist.

Zunächst hat das BAG zu der Frist des § 626 Abs. 2 BGB wie folgt ausgeführt:

 -         die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist auch im Fall einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist  einzuhalten.      

-         bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen, lässt sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eindeutig fixieren. Liegt ein solcher Tatbestand vor, reicht es zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt, auch noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben waren ( BAG 26.11.2009, 2 AZR 272/08)

-         im Fall einer lang andauernden – durchgehenden – Arbeitsunfähigkeit liegt ein solcher Dauertatbestand vor

-         auch häufige Kurzerkrankungen können einen Dauertatbestand darstellen. Kündigungsgrund ist dabei nicht die Erkrankung als solche, sondern die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Die verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen. Da der Arbeitnehmer in den Fällen häufiger Kurzerkrankungen typischerweise über einen längeren Zeitraum hinweg teilweise gesund, teilweise arbeitsunfähig erkrankt ist, kommt es für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung – zufällig – arbeitsunfähig war. Maßgebend ist vielmehr allein, ob der Kündigungsgrund, d.h. die auf der fortbestehenden Krankheitsanfälligkeit beruhende negative Prognose sowie die sich daraus ergebende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung fortbestanden hat. Sinn und Zweck von § 626 Abs. 2 BGB stehen dem nicht entgegen. Ziel des § 626 Abs.2 BGB ist es, dem Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Kündigungsberechtigte einen bestimmten Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt. In Fällen krankheitsbedingter Fehlzeiten besteht ein solches Interesse an schneller Klärung nicht. Im Gegenteil dient es den Belangen des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die weitere Entwicklung beobachtet und mit einer möglichen Kündigung noch zuwartet, um die Chance einer Prognoseänderung offen zu halten.

Die Kündigung war jedoch unwirksam, da ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB fehlt.

Die Wirksamkeit einer auf häufige Kurzerkrankungen gestützten ordentlichen Kündigung setzt zunächst eine negative Gesundheitsprognose voraus. Im Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung sprechen – erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer solchen Beeinträchtigung führen – zweite Stufe. Ist dies der Fall, ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen – dritte Stufe ( BAG 30. September 2010 – 2 AZR 88/09, BAG 23. April 2008 – 2 AZR 1012/06).  

Bei einer außerordentlichen Kündigung ist dieser Prüfungsmaßstab auf allen drei Stufen erheblich strenger. Es bedarf eines graierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Die Voraussetzungen hielt das Gericht nicht für gegeben.

 

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