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Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund einer Schwerbehinderung ( BAG 26.06.2014, Aktz.: 8 AZR 547/13 )

Das BAG hat über Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG zu entscheiden.

Folgende Orientierungssätze sind zwingend zu beachten:

 Nach § 22 Halbs 1 AGG i.V.m. Art 10 Abs 1 EGRL 78/2000 genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien vorträgt, die ihre Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Im Hinblick auf diesen Kausalzusammenhang sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtbetrachtung und –würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen.

  1. Maßgebend für die Beweiswürdigung ist die freie Überzeugung des Tatsachengerichts gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO unter Zugrundelegung des abgesenkten Beweismaßes des § 22 AGG. Es reicht aus, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lässt. Dabei haben die Gerichte darüber zu wachen, dass im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, die Verwirklichung des mit der Richtlinie EGRL 78/2000 verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird.
  2. Besteht eine Benachteiligungsvermutung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Auch dafür gilt § 286 Abs.1 S. 1 ZPO, allerdings mit dem Beweismaß des sog Vollbeweises.
  3. Grundsätzlich kann aus der Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen des SGB 9 die Vermutungswirkung des § 22 Halbs 1 AGG abgeleitet werden. Diese Pflichtverletzung ist geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein und sogar möglichen Vermittlungsvorschlägen und Bewerbungen von arbeitsuchenden schwerbehinderten Menschen aus dem Weg gehen zu wollen.
  4. Bei der Klärung der Frage, ob (genügend) Indizien vorliegen, um eine Benachteiligung i.S.d. AGG vermuten zu lassen, sind alle und nicht nur einzelne Umstände zu berücksichtigen. Für eine Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten des SGB 9 gilt diesbezüglich keine Ausnahme im Sinne eines „Automatismus“.

Hinweis:

In diesem Zusammenhang möchten wir nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, dass nach § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ein Arbeitgeber verpflichtet ist, vor der Besetzung einer freien Stelle frühzeitig mit der Agentur für Arbeit Verbindung auszunehmen. Die Verletzung dieser Meldepflicht ist als Vermutungstatsache für einen Zusammenhang zwischen Benachteiligung und Behinderung geeignet ( Vgl. BAG 17. August 2010 – 9 AZR 839/08 – AP AGG § 15 Nr. 4, BAG 13.10.2011, Aktz.: 8 AZR 608/10 )

 

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