Soweit die Urheberrechtsschutzfähigkeit der Inszenierung eines Bühnenwerks nicht bejaht werden kann enthält das Urheberrechtsgesetz eine leistungsschutzrechtliche Parallelbestimmung für den ausübenden Künstler in § 83 UrhRG, so dass für die Frage einer Entstellung die Qualität einer Inszenierung im urheberrechtlichen Sinne nicht entscheidend ist. Ein Urheber (Autor) kann sich folglich bei einer "entstellenden Inszenierung" entweder auf § 14 oder - falls ein Leistungsschutzrecht in Frage steht - auf § 83 UrhRG berufen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Berechtigte (z.B. ein Regisseur) eine Beeinträchtigung seiner Leistungen (z.B. einer Regieleistung) dahingehend dartun kann, dass entweder sein Ruf oder sein Ansehen durch eine Bühnenaufführung gefährdet wird.
Beispiel:
Die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Bühnenregisseur Peter Konwitschny und dem Freistaat Sachsen in der Dresdner Aufführung der Csárdás-Fürstin, die zum Teil auch in der Öffentlichkeit zu heftigen Auseinandersetzungen über das Regietheater in Deutschland geführt hat. Bei dieser Bühnenaufführung hatte das Gericht auch einen Eingriff in die Regieleistung und eine Urheberrechtsverletzung angenommen. Der Regievertrag enthielt keine Ermächtigung zu Änderungen der Inszenierung. Ebenso hatte der Regisseur der Änderung seiner Inszenierung widersprochen. Deshalb hatte das Oberlandesgericht Dresden nach Abwägung der Interessen des Bühnenregisseurs einerseits mit den Interessen des Theaters andererseits eine Entstellung im Sinne der §§ 14,83 UrhRG angenommen und den von dem Bühnenregisseur geltend gemachten Unterlassungsanspruch (§§ 73, 83, 97 Abs. 1 UrhRG) bestätigt. Danach müssen Sie beachten, dass immer dann, wenn der Eingriff in die Regieleistung eine besonders hohe Intensität hat ein Bühnenregisseur Ihnen gegenüber entweder unter dem Gesichtspunkt des Urheberrechtsschutzes (§ 14 UrhRG) oder dem des Leistungsrechtsschutzes (der Regisseur als ausübender Künstler im Sinne von § 73 UrhRG) gem. § 97 Abs. 1 UrhRG Unterlassungsansprüche geltend machen kann und Änderungen nicht dulden muss.
Beachte:
Zu empfehlen ist auch hier, möglichst frühzeitig entsprechende Änderungen mit dem Bühnenregisseur zu besprechen und ggf. dessen Einwilligung einzuholen. Solche Änderungen spielen häufig bei sogenannten Wiederaufnahmen eine große Rolle. Entsprechende Klärungsprozesse sollten daher möglichst noch vor Beginn des Probenprozesses, jedenfalls nicht erst kurzfristig vor der Premiere stattfinden. Ansonsten laufen Sie auch hier das Risiko, dass Sie mit einer einstweiligen Verfügung und damit mit einem Aufführungsverbot "überzogen" werden.
Checkliste: Entstellungen
Haben Sie daran gedacht, dass ein Werk (z.B. Regie) auch gegen Entstellungen und sonstige Beeinträchtigungen geschützt ist (§§ 14, 83 UrhG)? Haben Sie geprüft, ob die von Ihnen am Werk vorgenommenen Änderungen entstellenden Charakter haben? Haben Sie in Zweifelsfällen den Urheber (§14 UrhG) oder Leistungsschutzberechtigten (§ 83 UrhG) kontaktiert um einen Streit zu vermeiden?
2. Bearbeitung von Theaterstücken: Abwägung bei Persönlichkeitsrechtsrechtsverletzungen
Die Aufführung eines Bühnenwerks kann ebenso auch Persönlichkeitsrechte von einzelnen Personen verletzen. Eine solche Sachverhaltskonstellation kommt dann in Betracht, wenn ein reales Geschehen (wie z.B. ein stattgefundenes Schwerverbrechen) erkennbar die Vorlage für ein Bühnenwerk bzw. für ein Theaterstück geliefert hat. In solchen Fällen können einer Bühnenaufführung im Einzelfall Persönlichkeitsrechte auch unter dem Gesichtspunkt des postmortalen Persönlichkeitsschutzes (Tod der Person) entgegenstehen. So liegt ein Eingriff in das (postmortale) Persönlichkeitsrecht zunächst immer dann vor(§ 823 Absatz 1 BGB), wenn zwischen einem Bühnenstück und dem realen Geschehen gravierende Ähnlichkeiten und Parallelen festgestellt werden können und hinsichtlich der als Vorbild bildenden Personen oder sonstigen Umständen für Personen aus dem nahen persönlichen Umfeld des Betroffenen Erkennbarkeit vorliegt (vgl. KG NJW-RR 2004,1415; BGH NJW 2005,2844-Esra). Inhaltlich besteht das postmortale Persönlichkeitsrecht u.a. darin, dass ein Mensch auch nach seinem Tode einen Anspruch darauf hat, nicht in seiner Ehre oder in seinen sozialen Ansichten verletzt zu werden. Die Verletzung dieses Rechts durch ein Kunstwerk (Theaterstück) ist insbesondere dann möglich, wenn zum einen die Erkennbarkeit einer bestimmten Person, die als Vorbild der künstlerisch dargestellten Person diente, gegeben ist und zum anderen ein durch frei erfundene Zutaten durchweg negatives Bild einer realen Person entsteht, ohne dass Satire oder sonstige Übertreibung erkennbar ist. Bei der Abwägung der hier widerstreitenden Interessen, nämlich des Persönlichkeitsrechts gem. Art. 1 GG und der Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG kommt es darauf an, wie sehr die Bühnenfigur dem realen Vorbild gleicht. Je mehr Gleichheit zwischen der Kunst- und der realen Figur besteht, desto schutzwürdiger ist das Persönlichkeitsrecht einzustufen. Umgekehrt für eine weitergehende Verselbständigung der Bühnenfigur zur Schmälerung bis hin zum Wegfall des Persönlichkeitsschutzes.
Beispiel:
Dem Rechtsstreit "Ehrensache" lag ein Bühnenwerk zugrunde, das reale Vorkommnisse eines sogenannten Ehrenmordes verarbeitet hat und Anlass für das von dem Autoren (Urheber) geschaffene Bühnenwerk war. In diesem Verfahren ging es darum, dass sich die Mutter des Ehrenmordopfers gegen die Aufführung mit dem Argument gewendet habe mit dem Argument, dass ihre ermordete Tochter in diesem Bühnenwerk nicht nur für Teile des Publikums erkennbar sei, sondern darüber hinaus auch betont negativ hierin dargestellt werde, wodurch ihr postmortales Persönlichkeitsrecht verletzt werde. Das Landgericht Hamburg hat insoweit entschieden, dass der Umstand allein, dass dieser Ehrenmord Anlass zu dem Theaterstück "Ehrensache" gegeben hat, für die Betroffenheit des postmortalen Persönlichkeitsrechts jedoch nicht ausreiche.
Dass reale Geschehnisse als Grundlage künstlerischer Schöpfung dienen, sei regelmäßig der Fall. Das Theaterstück greife mit seiner Darstellung vornehmlich eine gesellschaftliche Problematik auf und sei weitgehend "von den persönlichen Eigenschaften der Täter und Opfer entkleidet". Im Vordergrund stünden gerade nicht die beteiligten Individuen, sondern die sozialen Gruppierungen und ihre Gegensätze, die zu Verbrechen wie "Ehrenmorden" führten. Die Bühnenfiguren stellen typisierte Platzhalter zu Menschen aus diesen Gruppierungen dar. Auch die Darbietung des Stoffes als Bühnenwerk verursache eine zusätzliche Verselbständigung der Bühnenfigur. Dem Zuschauer sei im Theater die Künstlichkeit der Darbietung viel bewusster als bei einem Fernsehfilm oder einer Dokumentation. Anders könnte zu beurteilen sein, wenn eine Person der Öffentlichkeit durch das Bühnenwerk mit bestimmten Eigenschaften belegt und dadurch vom Zuschauer in einem bestimmten Licht gesehen werde. Dieser Fall läge aber bei "Ehrensache" aber gerade nicht vor, da es sich bei dem Opfer nicht um eine Person der Öffentlichkeit handele und das Stück sogar losgelöst von der individuellen Person des Opfers zu sehen sei.
Das Landgericht Hamburg hat mit dieser Begründung einen Unterlassungsanspruch der Mutter des Opfers und damit einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht verneint. Damit liegt das Landgericht Hamburg auch hier "auf der Linie" des Bundesgerichtshofs, der schon in der berühmten "Mephisto-Entscheidung" zum Werk von Klaus Mann entschieden hat, dass "eine grobe Entstellung des Lebensbildes" der Person vorliegen müsse, um einen Eingriff in das allgemeine (postmortale) Persönlichkeitsrecht anzunehmen. Bemerkenswert an den Ausführungen des Landgerichts Hamburg ist, dass es im Rahmen der Abwägung der Interessen der Opfermutter und der Bühne ausführt, dass es gerade dem Medium Theater an der Voraussetzung fehle, eine dargestellte Handlung als reine Dokumentation erscheinen zu lassen. Der Natur der Sache nach sei sich der Theaterbesucher vielmehr bewusst, einer künstlichen Aufführung beizuwohnen, als dies bei einem Film oder der Lektüre eines Buches der Fall sein könnte. Hier hat das Landgericht Hamburg nun eine erste Lanze für die Kunstfreiheit gebrochen. Diese Wertung des Landgerichts Hamburg unterscheidet sich allerdings grundlegend von denjenigen Entscheidungen anderer Gerichte aus dem Einzugsgebiet der Mutter des Opfers. S
o hatte die Opfermutter eine Vielzahl von Verfahren gegen verschiedene Bühnen geführt und so sämtliche Aufführungen unterbinden können. Darauf hinzuweisen ist, dass es eine besondere Charakteristik des Theaters ist, im Rahmen von Bühnenaufführungen zuweilen eine gewisse Überzeichnung von Geschehnissen oder Charakteren als gewolltes und passendes Stilmittel vorzunehmen. Dies geschieht häufig vor dem dramaturgischen Hintergrund der Herausarbeitung von speziell in einem Bühnenwerk angesprochenen Problematik bzw. der mit dem Stück verfolgten Aussage. Dies bedeutet, dass es bei der Frage einer möglichen Verletzung eines Persönlichkeitsrechts stets auch auf eine anschließende Abwägung der vom Bühnenunternehmen verfolgten Interessen (Inhalte) mit den Interessen des Verletzten ("Opfers") ankommt.
Beachte:
Bei einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten kommt eine gerichtliche Geltendmachung nicht nur durch den "Verletzten" selbst, sondern auch durch Dritte (z.B. Erben) in Betracht.